Mein Blogger-Kollege Gregor Danielmeyer berichtete bereits über den Vorschlag des wissenschaftlichen Beirats beim BMF, ein eigenes Forschungszentrum für die Erforschung von anonymisierten steuerlichen Einzeldaten zu schaffen (s. Blogbeitrag v. 15.02.2021). Nun hat das BMF angekündigt, ein Institut für empirische Steuerforschung (IfeS) gründen zu wollen (s. auch Peuthert/Schaebs, DB 2021, S. 2650).
Diese Maßnahme ist zu begrüßen. Denn die allgemeine Errichtung und der Ausbau von Forschungsdatenzentren steht im Einklang mit der Datenstrategie der Bundesregierung. Konkret in Bezug auf das IfeS könnte dadurch eine mehrwertstiftende „Rückgabe“ der vom Steuerpflichtigen bereit gestellten Daten erfolgen (s. zu dieser Forderung Blogbeitrag v. 12.03.2021).
Was sind die Kernaufgaben des IfeS?
Nach Aussagen der Bundesregierung (BT-Drs. 19/31668, S. 2) soll das IfeS einerseits der Verbesserung der Dateninfrastruktur für die Wissenschaft im Bereich Steuern dienen. Dies umfasst u.a. die datenschutzkonforme Verknüpfung von Datensätzen, Erstellung von synthetischen Datensätzen und die Nutzung von KI-Verfahren.
Andererseits soll das IfeS die evidenzbasierte Forschung im Bereich Steuerpolitik vorantreiben. Dadurch wird sich eine enge Verzahnung von Wissenschaft mit Politik und Verwaltung versprochen.
Welche Zielsetzungen verfolgt das IfeS?
Übergeordnete Zielsetzung des IfeS ist eine Förderung einer qualitativ hochwertigen und international sichtbaren empirischen Forschung für die Bundesrepublik im Bereich der Steuerpolitik (s. BT-Drs. 19/32541, S. 3). Des Weiteren verspricht sich die Bundesregierung von der Gründung des IfeS, dass die Dateninfrastruktur im Bereich Steuern verbessert wird, um eine evidenzbasierten Politikberatung zu Steuerthemen zu stärken.
Diese Verbesserung der Dateninfrastruktur soll durch eine enge Zusammenarbeit inhaltlich forschender Datennutzer:innen mit methodischen Forscher:innen innerhalb der IfeS erfolgen. Zudem sollen weiterhin Kooperationen mit Universitäten erfolgen (s. BT-Drs. 19/32541, S. 3).
Herausforderungen
Datenschutz & Steuergeheimnis
Der Datenschutz und das Steuergeheimnis sind die höchsten Güter in der „digitalen Beziehung“ zwischen Steuerpflichtigem und Steuerverwaltung. Wenngleich letzteres aber keinen Verfassungsrang genießt (s. BVerfG v. 17.7.1984, 2 BvE 11/83, BVerfGE 67, S. 100). Das Steuergeheimnis und der Datenschutz sind jedoch keine absoluten Hürden für die Erforschung von Daten des Steuerpflichtigen. Voraussetzung ist allerdings die Implementierung von gesetzlichen Grundlagen sowie Verfahren der Anonymisierung (so auch Peuthert/Schaebs, DB 2021, S. 2650 [2651 f.]).
Ausweitung der Tatbestände zur Weitergabe von personenbezogenen Daten
Nach § 29c AO bestehen diverse Tatbestände, welche die Weitergabe von personenbezogenen Daten erlauben. Aufgeführt sind u.a. die Entwicklung, Überprüfung oder Änderung automatisierter Verfahren, die Gesetzesfolgenabschätzung und die Wahrnehmung von Aufsichts-, Steuerungs- und Disziplinarbefugnissen. Nicht aufgeführt in diesem Katalog ist die Weitergabe von Steuerdaten zu Forschungszwecken. De lege lata besteht jedoch keine Rechtsgrundlage für die Weitergabe von Steuerdaten Forschungszwecken zu Forschungszwecken (s. Peuthert/Schaebs DB 2021, S. 2650 [2652]). Daher ist auch die entsprechende Erweiterung der Tatbestände zur Datenweitergabe für Zwecke der Forschung zu fordern (s. Wissenschaftl. Beirat beim BMF, Gutachten 05/2020, S. 26).
Vielseitige Forschung als „mehrwertstiftende“ Datenrückgabe?
Ureigenes Interesse der Finanzverwaltung an der empirischen Erforschung von Steuerdaten im IfeS
Peuthert/Schaebs (DB 2021, S. 2650 [2651]) betonen das Interesse der Finanzverwaltung an einer fundierten Forschung, um die bestehenden Systeme zu verbessern und neue Verfahren zu erarbeiten. Insbesondere bestehe ein „ureigenes Interesse der Steuerverwaltung“ bestehende Systemanpassungen wissenschaftlich zu begleiten und Entscheidungen auf Datenbasis zu treffen. Dabei stehe die Finanzverwaltung vor der Herausforderung, dass „hoch qualifizierte IT-Kräfte, Datenanalysten und empirisch ausgerichtete Forscher“ extern angeworben werden müssten. Insofern stehe die Finanzverwaltung im Wettbewerb zu anderen Arbeitgebern.
Diese Aussage könnte implizieren, dass das IfeS seine Forschung fiskalorientiert ausrichten könnte. Dies mag auch nicht verwundern, weil durch die Forschung des IfeS die steuerpolitischen Entscheidungen anhand einer verbesserten Datengrundlagen getroffen werden sollen. Aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und Effizienz des Besteuerungsverfahrens ist dies auch in gewisser Weise wünschenswert.
Gleichzeitig könnte jedoch auch das Risiko bestehen, dass die Erforschung von Steuerdaten nur einseitig zugunsten der Verwaltung erfolgt. Ein solcher Gedanke fußt insbesondere auf dem von Peuthert/Schaebs angesprochenen „ureigenen Interesse“ des Fiskus und der Finanzverwaltung an der Erforschung der gesammelten Daten. Denn aufgrund der vielseitigen Datenübermittlungsverpflichtung wurde seitens der Finanzverwaltung eine Machtagglomeration geschaffen.
„Ampel“-Koalition sieht Nutzen des IfeS
Auch die sog. „Ampel“-Koalition aus SPD, Grünen und FDP sieht den Nutzen des IfeS. Dies geht aus dem am 24.11.2021 veröffentlichten Koalitionsvertrag hervor, wo die Parteien ausführen (S. 166, Rn. 5635 – 5637): „Das geplante Steuerforschungsinstitut wollen wir nutzen, um eine aktuelle und bessere Datenlage etwa für die Evaluierung von Steuerregelungen – auch im Hinblick auf ihre Belastungswirkung – oder die entgangenen Steuereinnahmen aufgrund Steuerhinterziehung und Steuergestaltung verschafft und damit die Grundlage für eine evidenzbasierte Gesetzgebung verbessern.„
Dies könnte jedoch implizieren, dass die Ergebnisse der empirischen Erforschung von Steuerdaten allein für eine profiskalische Gesetzesgebung genutzt wird. Dadurch könnte die Forderung nach einer mehrwertstiftenden „Rückgabe“ der Daten unerfüllt bleiben oder zumindest in den Hintergrund treten.
Plädoyer für eine allgemeinorientierte empirische Steuerforschung
Ein „Ausgleich“ für die bestehenden Datenübermittlungspflichten des Steuerpflichtigen kann aber nur dann erreicht werden, wenn die empirische Erforschung der durch die Steuerpflichtigen zur Verfügung gestellten Daten nicht nur aus dem Blickwinkel der Finanzverwaltung erfolgen. Die Forschung des IfeS sollte daher in intensiver Kooperation mit anderen wissenschaftlichen Einrichtungen und Universitäten erfolgen. Gleiches gilt auch für die Diskussion und Interpretation der empirischen Ergebnisse. Eine weitere Möglichkeit wäre, die Analyse der Ergebnisse auch unter Beteiligung der (Unternehmens-)Steuerpraxis vorzunehmen. Denn von einem IfeS sollten Finanzverwaltung, Gesetzgeber und Steuerpflichtige zu gleichen Teilen profitieren. Nur so könnte eine mehrwertstiftende Rückgabe der Daten erfolgen.