Hintergrund des public-CbCR
Vertreter des portugiesischen EU-Ratsvorsitzes haben am 1. Juni 2021 mit einem Verhandlungsteam des Europaparlaments eine vorläufige Einigung für das public-CbCR erzielt und ein gemeinsamer Text für eine Richtlinie vereinbart (s. Pressemitteilung v. 1. Juni 2021; s. dazu schon Blogbeitrag am 9. Februar 2021). Im Kern geht es darum eine Publizitätspflicht der Unternehmen für die bislang nur gegenüber der Finanzverwaltung erfolgende länderbezogene Berichterstattung einzuführen. Anstatt der Finanzverwaltung nimmt somit die Transparenz auf Ebene der Unternehmen weiter zu. Die politische Billigung des Rates sowie verschiedenen Gremien steht jedoch noch aus. Es erscheint nicht abwegig, dass das public-CbCR als Richtlinie verabschiedet und von den Mitgliedsstaaten umzusetzen ist. Dies lässt sich daran erkennen, dass bereits im April 2016 die EU den Richtlinienvorschlag COM/2016/0198 final – 2016/0107 (COD) veröffentlicht hat. Dieser Richtlinienvorschlag war allein im Jahr 2021 bislang dreimal Thema im Rat der europäischen Union.
Auch wenn der vereinbarte Text noch nicht öffentlich zugänglich ist, lassen sich anhand des Richtlinienvorschlags aus dem Jahre 2016 und einschlägigen Pressemitteilungen von EU-Abgeordneten schon einige Details herausstellen, die Teil des nun verständigten Richtlinientext sind.
Wer ist publizitätspflichtig?
Nach der getroffenen Einigung sind in der EU operierende Unternehmen, die in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren einen (weltweiten) Gesamtumsatz von mehr als 750 Mio. EUR erzielen, von dem public-CbCR erfasst. Dabei ist es umbeachtlich, ob der Sitz des Unternehmens innerhalb oder außerhalb der EU liegt. Entscheidend ist die operative unternehmerische Tätigkeit in einem der EU-Mitgliedsstaaten.
Welche Information unterliegen der Offenlegungspflicht?
Die Publizitätspflicht betrifft insbesondere essenzielle Informationen, die für die Ertragsbesteuerung relevant sind. Die Richtlinie soll eine vollständige und abschließende Liste an Informationen enthalten, die zu veröffentlichen sind. Nach Art. 48c des Richtlinienvorschlags COM/2016/0198 final – 2016/0107 (COD) aus 2016 sowie aus der Ratsbesprechung am 3. März 2021 (ST 6616 2021 INIT) fallen unter die Informationen die aufgeschlüsselt auf die jeweiligen Länder zu veröffentlichen sind z.B.:
- die Art der Tätigkeit;
- die Anzahl der Arbeitnehmer;
- die Nettoumsatzerlöse;
- den Gewinn vor Steuern;
- die bereits gezahlten Ertragsteuern des laufenden Jahres;
- die noch zu zahlenden Ertragsteuern des laufenden Jahres;
- die Höhe der einbehaltenen Gewinne.
Die Länder für welche eine Veröffentlichungspflicht der v.g. Informationen besteht, beschränkt sich nicht nur auf die EU-Mitgliedsstaaten, sondern auch auf Staaten, die von der EU als „Steueroasen“ (Anlage I der Schlussfolgerungen des Rates zur EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete für Steuerzwecke, sog. schwarze Liste) oder „nicht kooperative Staaten“ (Anlage II der Rats-Schlussfolgerung, sog. graue Liste) eingestuft werden. Folglich sind davon Staaten betroffen, die auf der schwarzen Liste oder in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Jahren auf der grauen Liste geführt sind.
In welcher Frist muss eine Veröffentlichung erfolgen?
Für die Unternehmen ist eine Offenlegungsfrist innerhalb von 12 Monaten ab dem Bilanzstichtag des betreffenden Geschäftsjahres vorgesehen. Folglich müsste bei einem mit dem Kalenderjahr übereinstimmenden Wirtschaftsjahr eine Veröffentlichung der public-CbCR-Daten bis zum 31.12. des nachfolgenden Kalenderjahres erfolgen. Allerdings sollte nach einer sog. Schutzklausel eine Möglichkeit zur zeitlichen Streckung der Publizitätspflicht auf bis zu fünf Jahre möglich sein. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass eine Gefährdung der Geschäftsgeheimnisse gegenüber den Behörden glaubhaft gemacht wird.
Umsetzung in nationales Recht
Der aktuelle Richtlinientext soll wohl eine Frist zur Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht von 18 Monaten haben. Sollte die Richtlinie mit dieser Umsetzungsfrist auch verabschiedet werden, stellt sich die Frage wann in Deutschland mit einer Umsetzung zu rechnen ist. Mit Blick auf die bevorstehenden Bundestagswahlen dürfte ein dahingehendes Gesetzgebungsverfahren dieses Jahr wohl nicht zu erwarten sein. Realistisch wäre, dass frühestens Mitte 2022 eine Umsetzung in nationales Recht erfolgen könnte. Eine erstmalige Anwendung wäre – insbesondere mit Blick auf die operative Umsetzung auf Unternehmensebene – erstmalig ab 2023 wünschenswert. Dies könnte auch bedeuten, dass die Unternehmen im Jahre 2023 ihre Public-CbCR-Daten für 2022 veröffentlichen müssen.
Einheitliches Datenformat und öffentlich zugänglich – Nutzung für Forschungszwecke möglich?
Dem Vernehmen nach soll das public-CbCR in einem einheitlichen Datenformat erfolgen und auch der Öffentlichkeit zugänglich werden. Dies ist insofern begrüßenswert, als das zumindest in gewissem Maße eine nutzenstiftende Rückgabe der Daten denkbar ist, weil diese Daten für Forschungszwecke verwendet werden können. Gleichwohl ist auch anzumerken, dass diese Rückgabe der Daten „auf Kosten“ der Unternehmen erfolgt. Weiterhin ist es jedoch auch legitim zu fordern, dass die Finanzverwaltung und/oder die Staatengemeinschaft unter Wahrung des Steuergeheimnisses bestimmte steuerliche Daten in anonymer Form zur Verfügung stellt. Denn dies würde einen Nutzen als „Ausgleich“ für die immensen Kosten bedeuten, die durch die verschiedenen Datenübermittlungspflichten entstehen (zu dieser Forderung s. bereits Blogbeitrag v. 12. März 2021).
Steigerung der Steuertransparenz als Mittel zur Wahl geeignet?
Es stellt sich allerdings die Frage, ob eine durch das public-CbCR bewirkte Steuertransparenz überhaupt das angenehme Mittel ist. Ziel des public-CbCr soll eine „wirksame öffentliche Kontrolle“ sein (siehe Pressemitteilung v. 1. Juni 2021), sodass sich Unternehmen mit vermeintlich niedriger Steuerbelastung in einigen EU-Mitgliedsstaaten oder Staaten der grauen bzw. schwarzen Liste einem öffentlichen Druck ausgesetzt sehen. Dies soll – so die Denke der Mitglieder der EU-Institutionen – als probates Mittel gegen Steuervermeidung wirken (Giegold: „[…] Länderbezogene Steuertransparenz ist ein scharfes Schwert gegen Steuervermeidung. […]“; s. Meilenstein für Steuertransparenz v. 1. Juni 2021).
Steuermoral ist kein Garant für ein gerechtes Steuersystem
Allerdings ist diese Sichtweise zu einseitig und erfordert eine differenzierte Betrachtung. Sofern die länderbezogene Publizitätspflicht Staaten erfasst, die auf der sog. grauen Liste oder sogar als „Steueroasen“ auf der schwarzen Liste stehen, mag die Publizitätspflicht unter Umständen ihre Berechtigung haben. Allerdings ist die dadurch beabsichtigte Steigerung einer „Steuermoral“ durch ein „Naming & Shaming“ kein Allheilmittel gegen Steuervermeidung bzw. ist diese Wirkung zumindest zweifelhaft.
Vielmehr eignet sich die diskutierte Einführung einer globalen Mindeststeuer dem Wunsch der Staatengemeinschaft nach Steuergerechtigkeit Rechnung zu tragen. Denn dadurch besteht die Möglichkeit der Umsetzung eines weltweiten internationalen Standards in den unterschiedlichen Steuersystemen. Die effektive Mindestbesteuerung von Unternehmen eignet sich möglicherweise eher dazu internationale Steuervermeidung abzuwenden, als eine weitere Anhebung der Transparenzstufe multinationaler Unternehmen durch das public-CbCR.
public-CbCR könnte die Schwächen der Staatengemeinschaft offenlegen: den EU-internen Steuerwettbewerb
Zudem könnte das public-CbCR für die EU-Staatengemeinschaft einen unerwünschten Umkehreffekt darstellen. Denn durch eine öffentliche länderbezogene Publizitätspflicht von Ertragsteuerinformationen wird eben die Schwäche der Staatengemeinschaft für die Öffentlichkeit einsehbar: der Steuerwettbewerb innerhalb der EU.
Es wird stets gefordert, die Unternehmen seien dazu angehalten, sich „steuerehrlich“ oder „steuermoralisch“ zu verhalten. Es sei unangemessen und eben nicht „steuermoralisch“, wenn ein Unternehmen über eine Tochtergesellschaft in Malta oder Irland verfügt und dort hohe Gewinne nur einer niedrigen Ertragsbesteuerung unterliegen. Genau diese Sichtweise ist jedoch zu einseitig. Zwischen den EU-Mitgliedsstaaten herrscht ebenfalls ein Steuerwettbewerb, der in Bezug auf einige Mitgliedsstaaten den Eindruck erwecken könnte, dass hier die Grenzen des fairen Steuerwettbewerbs überschritten werden. Im Verhältnis zu Staaten, die auf der sog. „schwarzen Liste“ gelistet sind, wird versucht unfairem Steuerwettbewerb mit dem Regierungsentwurf eins Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb entgegenzutreten. Vor dem Hintergrund des public-CbCR sind indes nicht ausschließlich die Unternehmen bei der Steuervermeidung zu betrachten, sondern auch die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten, die durch sehr niedrige Unternehmenssteuern Investitionen fördern und dadurch zur Steuervermeidung oder Gewinnverlagerung in eben jene Jurisdiktionen beitragen.
Das public-CbCR könnte daher auch die Probleme des EU-internen Steuerwettbewerbs aufzeigen und auch auf Ebene der einzelnen Mitgliedsstaaten die einzelnen nicht „steuermoralischen“ Mitgliedsstaaten erkennen lassen. Dieser Perspektivenwechsel sollte auch innerhalb den EU-Institutionen in mancher Diskussion eingenommen werden. Steuermoral und Steuerehrlichkeit sollten nicht ausschließlich von den Unternehmen gefordert sein, sondern dies sollte auch von den einzelnen Staaten innerhalb der Staatengemeinschaft vertreten werden.
Ausblick
Das public-CbCR steht kurz vor der Verabschiedung auf EU-Ebene. Auch wenn die Umsetzung in nationales Recht ggfs. erst im nächsten Jahr erfolgen wird, sollten Unternehmen sich bereits frühzeitig mit Vorkehrungen zum public-CbCR auseinandersetzen.
Abschließend ist den EU-Institutionen zu empfehlen, beim Thema „Steuervermeidung“ auch einmal in den Spiegel zu schauen. Die EU vertritt als Staatengemeinschaft bestimmte Werte. Es wird Zeit, dass Steuerehrlichkeit im zwischenstaatlichen Miteinander ebenfalls Teil dieses Wertekanon wird.