Steuertransparenz um jeden Preis? – aktuelle Entwicklungen beim CbCR

CbCR

Überblick über das CbCR

Seit dem Jahr 2016 sind inländische Konzerne mit einem Gesamtumsatz von mehr als 750 Mio. EUR zu einer länderbezogenen Berichterstattung verpflichtet (Country-by-Country-Reporting, CbCR). Dieser Bericht muss Auskunft darüber geben, in welchen Staaten die Konzerngesellschaften (und Betriebsstätten) tätig sind und wie sich die einzelnen Umsätze und Gewinne auf die jeweiligen Staaten verteilen. Inkludiert davon ist auch der Anteil von konzerninternen Umsätzen am Gesamtumsatz. Zusätzlich ist die Verteilung der Steuerzahlungen auf die einzelnen Staaten anzugeben. Des Weiteren muss der Bericht die Aufgliederung der wichtigsten Geschäftstätigkeiten auf die jeweiligen Unternehmenseinheiten enthalten (z.B. Forschung & Entwicklung, Besitz und Verwaltung von geistigem Eigentum etc.).

Zweck des CbCR – Steuertransparenz

Das CbCR stellt eine direkte Umsetzung des Aktionspunkts 13 der BEPS-Initiative dar. Nach OECD-Angaben haben mittlerweile ca. 90 Staaten eine gesetzliche Pflicht zum CbCR eingeführt. Bei ca. 25 Staaten liegen bereits Entwürfe für eine solche Regelung vor (s. OECD, Review of BEPS Action 13: Draft Public Consultation Document, Paris 2020, Seite 9). In der Konsequenz existiert eine Vielzahl von Staaten, mit denen das BZSt die CbCR-Daten teilen kann. Durch den Austausch von CbCR-Daten baut sich auf Seiten der Finanzbehörden ein Datenpool auf, welcher Unmengen an Finanz- und Steuerdaten von international tätigen Unternehmen enthält.

Dieser CbCR-Daten-Pool dient auf Ebene der Finanzverwaltung der abstrakten Identifikation möglicher Verrechnungspreisrisiken (z.B. aufgrund unangemessener Verrechnungspreise). Im Einzelfall ist eine detaillierte Verrechnungspreisanalyse oder gar eine Angemessenheitsprüfung allein unter Rückgriff auf die CbCR-Daten nicht erfolgen. Für die Auswertung dieser Daten auf Unternehmensebene nutzt die Finanzverwaltung ein eigens entwickeltes CbCR-Analysetool. Durch diese IT-gestützten Auswertung ist es somit möglich, Prüfungsschwerpunkte auf Unternehmensebene festzulegen.

Der länderübergreifende Austausch von CbCR-Daten soll auch der Identifizierung von Gewinnverlagerungen und -verkürzungen dienen (s. zu den Zielen des CbCR: BT-Drs. 18/9536, S. 38 f.). Aus den CbCR-Daten lässt sich bspw. ableiten, inwiefern hohen Gewinnen in einem Staat eine nur geringe Steuerbelastung gegenüberstehen. Laut einer Studie der Stiftung Familienunternehmen zeigt die Einführung der CbCR-Vorschriften bereits Wirkung. Die Studie beobachtet, dass Unternehmen seit der Einführung des CbCR ihr Steuerplanungsverhalten anpassen. Dies erfolge durch die Verringerung von Gewinnverlagerungen oder durch die Schließung von Niederlassungen in Steueroasen, was sich in steigenden Effektivsteuersätzen niederschlage (s. Stiftung Familienunternehmen, Der EU-Vorschlag zum Country-by-Country Reporting im Internet, 2. Aufl. 2020, Seite 42 f.).

Grenze des CbCR: limitierter Informationsgehalt

Die Studie der Stiftung Familienunternehmen zeigt gleichermaßen eine allgemeine Grenze des CbCR auf. Denn der Informationsgehalt der CbCR-Daten ist für Verwaltung und Gesetzgeber limitiert. Die CbCR-Daten geben zwar eine kennzahlenbasierten Bestandsaufnahme über die aktuelle Steuerposition eines Unternehmens in verschiedenen Steuerhoheitsgebieten. Gleichwohl lässt sich aus den CbCR-Daten nicht herauslesen, ob diese Steuerposition eine Gewinnverlagerung darstellt und wie sich diese Steuerposition in dem betreffenden Land zusammensetzt. Zudem lässt sich aus den CbCR-Daten nicht hinauslesen, inwiefern Gewinn- bzw. Steuerpositionen mittels legalen oder illegalen Gestaltungen geschaffen wurden. Darüber hinaus stellen die CbCR-Daten ein Indiz für das Steuerplanungsverhalten von Unternehmen dar (s. Stiftung Familienunternehmen, Der EU-Vorschlag zum Country-by-Country Reporting im Internet, 2. Aufl. 2020, Seite 27).

In ihrer Rohform sind die CbCR-Daten daher nicht ohne weiteres nutzbar. Insbesondere sofern in einem Land mehrere Tochtergesellschaften existieren, kann es ggfs. notwendig sein, die konsolidierungsfähigen Einzelabschlüsse der jeweiligen Tochtergesellschaften (sog. Handelsbilanzen II) vorzulegen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll die Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen gemäß § 200 AO in Betriebsprüfungen auch die Vorlage von Einzelabschlüssen der ausländischen Konzerngesellschaften erfassen (s. AEAO zu § 200 AO; vgl. Krüger, IStR 2017, 352). Eine solch (extensive) Vorlagepflicht wird im steuerlichen Schrifttum z.T. abgelehnt, da eine solche generelle Vorlagepflicht die Grenzen der steuerlichen Mitwirkung überschreite (Lauten/Retzer, IStR 2017, 859).

Diskussion auf EU-Ebene: Veröffentlichung von CbCR-Daten (pCbCR)

Der internationale Austausch von CbCR-Daten unter den Finanzbehörden ist offenbar nicht genug. Auf EU-Ebene wurde bereits in den letzten Jahren über das Public-CbCR (pCbCR) diskutiert (s. Legislative Train des EU-Parlaments). Durch eine Pflicht zum pCbCR wären Unternehmen verpflichtet, ihre CbCR-Daten zu veröffentlichen. Für den Endverbraucher soll erkennbar sein, in welchen Ländern das Unternehmen wie viele Steuern zahlt. Eine Veröffentlichung solch sensibler Daten führe – nach Auffassung der EU-Kommission – dazu, dass Unternehmen ihr Steuerverhalten hinterfragen. In der Folge würden Unternehmen dazu animiert, Steuern dort zu zahlen, wo Gewinne anfallen („[…] It will help to scrutinise the tax behaviour of multinationals. This will in turn push companies to pay tax where they make profit.„). Die Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft durch Portugal hat die Debatte um eine Verpflichtung zum pCbCR erneut entfacht. Denn Portugal brachte einen Kompromissvorschlag zur Diskussion in eine Arbeitsgruppe ein (s. Handelsblatt v. 22.01.2021). Dieser sieht eine von der Unternehmensgröße abhängige Staffelung der Publizitätspflicht vor. Für besonders sensible Daten soll die Publizität ohnehin zeitlich begrenzt sein.

pCbCR – Mehrwert einer Veröffentlichungspflicht sensibler Daten?

Es ist zweifelhaft, ob eine Veröffentlichungspflicht der CbCR-Daten einen Mehrwert schafft. Grundsätzlich besteht eine Bereitschaft zur Veröffentlichung von Daten, sofern der zu erwartende Nutzen die für die Veröffentlichung notwendigen Kosten übersteigt. Somit kann eine Publizitätspflicht für unternehmensrelevante Daten sinnvoll sein, wenn diese Informationen bei anderen Unternehmen zu einer effizienteren Entscheidungsfindung führen, die sich auf die gesamte Wirtschaft auswirkt. Für solch gesamtwirtschaftlich positive Effekte einer Publizitätspflicht gibt es nach der Studie der Stiftung Familienunternehmen keine Belege. Publizitätspflichten führen im Regelfall zu direkten Implementierungskosten sowie zu weiteren zusätzlichen Kosten in Folgeperioden (Stiftung Familienunternehmen, Der EU-Vorschlag zum Country-by-Country Reporting im Internet, 2. Aufl. 2020, Seite 57).

Jedoch zielt die steuerliche Transparenz mittels eines pCbCR darauf ab, Gewinnverlagerungen und Steuervermeidungen zu bekämpfen. Es ist daher fraglich, inwiefern sich für andere Unternehmen oder der Gesamtwirtschaft Effizienzgewinne erzielen lassen, wenn diese unternehmensinterne Finanz- und Steuerdaten veröffentlichen. Der Nutzen sei nur für Gesetzgeber und Finanzverwaltung ersichtlich, wozu eine Publizitätspflicht jedoch nicht weiter beitragen würde. Denn mit den aktuellen Berichtspflichten der Unternehmen stehen die CbCR-Daten der Finanzverwaltung und dem Gesetzgeber bereits zur Verfügung (Stiftung Familienunternehmen, Der EU-Vorschlag zum Country-by-Country Reporting im Internet, 2. Aufl. 2020, Seite )

Die Studie gibt darüber hinaus zu bedenken, dass im Falle einer EU-seitigen Publizitätspflicht von CbCR-Daten Wettbewerbsnachteile nicht ausgeschlossen werden können. Durch eine Informationsasymmetrie zwischen zum pCbCR verpflichteten und nicht zum pCbCR verpflichteten Wettbewerbern, könnten letztere diese Informationen zu ihrem eigenen Vorteil ausnutzen (Stiftung Familienunternehmen, Der EU-Vorschlag zum Country-by-Country Reporting im Internet, 2. Aufl. 2020, Seite 33 f.).

Veröffentlichung als Druckmittel – Die Frage nach Steuermoral

Es darf allgemein angezweifelt werden, ob sich die CbCR-Daten ohne spezielles Know-How sachgerecht interpretieren lassen. Zudem handelt es sich um aggregierte Daten, sodass insoweit ein Verdichtung von Informationen gegeben ist. Was hätte eine geringe Steuerbelastung bei gleichzeitig hohen Gewinnen eines Unternehmens in einem Staat X für Folgen? Dies könnte dazu führen, dass Konsumenten bei diesem Unternehmen nicht mehr kaufen, weil diese Konsumenten davon ausgehen, dass dieses Unternehmen Steuervermeidung betreibt. Bspw. legen Studien nahe, dass die Kenntnisnahme der Öffentlichkeit über ein aggressives Steuerplanungsverhalten eines Unternehmens dessen Reputation schädigt. Darüber hinaus besteht das Risiko, dass die Bereitschaft der Konsumenten sinkt, die Produkte dieses Unternehmens zu kaufen (für Nachweise siehe Stiftung Familienunternehmen, Der EU-Vorschlag zum Country-by-Country Reporting im Internet, 2. Aufl. 2020, Seite 46).

Jedoch könnte die geringe Steuerbelastung in dem o.g. Szenario bspw. auch aufgrund einer zutreffenden Steuererstattung resultieren. Dies wäre aber allein aus den CbCR-Daten vermutlich nicht ersichtlich. Sofern die Steuerfestsetzung mithilfe der öffentlichen Meinung gesteuert wird, sieht die Stiftung Familienunternehmen die Gefahr der Untergrabung der Rechtsstaatlichkeit (Stiftung Familienunternehmen, Der EU-Vorschlag zum Country-by-Country Reporting im Internet, 2. Aufl. 2020, Seite 34).

Selbst wenn unterstellt wird, dass die Öffentlichkeit die Daten des pCbCR möglichst fehlerfrei interpretieren und verarbeiten könnte, stellt sich die Frage, ob der Druck der Öffentlichkeit ein wirksames Werkzeug gegen Gewinnverlagerung und Steuervermeidung darstellt (so auch Stiftung Familienunternehmen, Der EU-Vorschlag zum Country-by-Country Reporting im Internet, 2. Aufl. 2020, Seite 31). Denn die Gewinnverlagerung und Steuervermeidung ist – auch angesichts der Umsatzschwelle für die Berichtspflicht von 750 Mio. EUR – insbes. ein immanentes Problem, des fehlenden Regelsystems für die Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle sowie der innerkonzernlichen Gewinnaufteilung.

Herabsenken der Umsatzschwelle

Die OECD hat ein Diskussionspapier veröffentlicht, das mögliche Anpassungen hinsichtlich der Anwendungsvoraussetzungen sowie des Berichtsinhalts des CbCRs diskutiert (für eine detaillierte Darstellung siehe Ditz/Heider, ISR 2021, 57). Neben weiteren Anpassungspunkten wirft die OECD die Frage auf, ob die Umsatzschwelle bei der eine Berichtspflicht vorliegt, nicht von 750 Mio. EUR abgesenkt werden müsste (s. OECD, Review of BEPS Action 13: Draft Public Consultation Document, Paris 2020, Seite 21). Die damit einhergehende Ausweitung der Berichtspflicht würde bei den Unternehmen, welche dann unter die Berichtspflicht fallen, unmittelbar zu Kosten führen. Denn der Erstellungsprozess führt unmittelbar zu Aufwendungen. Zudem könnte die Pflicht zur Erstellung eines CbCR mittelfristig zu einem Anstieg an Personalressourcen führen.

Darüber hinaus würde sich die Ausweitung der Berichtspflicht auf die Menge an CbCR-Daten auswirken, welche die Finanzverwaltung übersendet bekommt. Zwar kann in Frage gestellt werden, ob die Finanzbehörden überhaupt in der Lage sind, diese Datenmengen zu verarbeiten. Mit steigenden technischen Möglichkeiten und der Digitalisierung der Finanzverwaltung ist aber auch die Verarbeitung von Massedaten kein großes Hindernis. Die Finanzverwaltung dürfte somit eine „Datenflut“ zumindest in naher Zukunft grds. verarbeiten können. An dieser Stelle wäre jedoch der Sinn des CbCR zu hinterfragen. Das CbCR soll multinationale Unternehmen erfassen, die allein aufgrund ihrer Größe sowie den internationalen Verflechtungen eine Gewinnverlagerung betreiben können. Jedoch ist es fraglich, ob dies auch bereits für größere mittelständische Unternehmen gelten muss, welche nicht in diesem Maße Gewinnverlagerungen betreiben können. Der Nutzen der CbCR-Daten solcher Unternehmen für die Finanzverwaltung dürfte ebenso gering sein. Insbesondere sofern die Absenkung der Umsatzschwelle mit Publizitätspflicht der CbCR-Daten (pCbCR) einhergeht.

Fazit

Steuerpflichtige sollten die Entwicklungen beim CbCR weiterhin beobachten. Es ist positiv zu sehen, dass wissenschaftliche Studien Effekte des CbCR nachweisen können, gleichzeitig allerdings auch die begrenzten Möglichkeiten aufzeigen. Insgesamt dürfte weder eine Publizitätspflicht von CbCR-Daten in Form des pCbCR noch die Erweiterung des Kreises der berichtspflichtigen Unternehmen aus Fiskalsicht geeignet sein, gegen globale Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung vorzugehen. Insofern sollte kritisch hinterfragt werden, ob das Steuergeheimnis um jeden Preis ausgehölt werden sollte. Vielmehr empfielht es sich, den Schwerpunkt auf die Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit bei Verrechnungspreisregelungen zu legen.