Uni Göttingen: Steuern und Besteuerung im Zeitalter der Digitalisierung

Die Debatte um Auswirkungen der Digitalisierung für die Besteuerung scheint gefühlt allgegenwärtig und kein nur von wenigen Experten als Spezialthema diskutiertes Problem zu sein. Der Diskurs findet auch in der Lehre an Universitäten Eingang und beschäftigt den steuerlichen Nachwuchs. So wurde an der Universität Göttingen eine von Professor Oestreicher organisierte Diskussionsveranstaltung zum Thema Steuern und Besteuerung im Zeitalter der Digitalisierung am 27. November vergangenen Jahres abgehalten, die gleichzeitig auch die Auftakt- bzw. Feierveranstaltung zum neuen Masterstudiengang Steuerlehre bildete.

Das Thema Digitalisierung und Steuern wurde in seiner Breite aus den drei Blickwinkeln Verwaltung, Beratung und Steuerpolitik behandelt. Den Auftakt bildeten Impulsvorträge von Prof. Dr. Dr. hc. Fuest (Präsident des ifo-Instituts) und Herrn Hüdepohl (Leiter der Abteilung Steuern und Organisation (Steuerverwaltung) im FinMin Nds) und Herrn Möller (Geschäftsführer bei PwC). Anschließend diskutierten neben den Vortragenden auch Prof Dr. Oestreicher auch Prof. Dr. Blumenberg und  Prof.  Dr. Schwager vor einem Publikum, das sich überwiegend aus Studierenden aber auch einigen interessierten Praktikern zusammensetzte, zu unterschiedlichsten Facetten des vielschichtigen Themas.

Digitalisierung des Steuervollzugs

Herr Hüdepohl  referierte in seinem Impulsvortrag zur Digitalisierung des Steuervollzugs. Er gab Einblicke in den Status quo von ELSTER & Co. und beleuchtete verschiedene wichtige Aspekte für die automationsgestützte Verwaltung in Steuersachen.

Treiber für die zunehmende Digitalisierung im Steuervollzug sei eine in der Tendenz steigende Zahl an Verfahren bei gleichzeitig in der Tendenz sinkenden Anzahl an Mitarbeitern. Vor diesem Hintergrund sei eine automationsgestütze Verwaltung in Steuersachen notwendig, um die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sicherzustellen. Änderungen im Steuerrecht führen dazu, dass die Errichtung einer automationsgestützen Verwaltung in Steuersachen einer „permanenten Operation am offenen Herzen“ gleiche. Außerdem seien die materiellen Steuergesetze bislang wenig IT-freundlich ausgestaltet. Hier sei der Gesetzgeber gefordert, nachzubessern, um die maschinelle Bearbeitung insb. in Massenverfahren zu ermöglichen. Bedeutsam seien zudem weitere Fortschritte bei der Ablösung von bundesweit uneinheitlichen „Alt-Verfahren“ durch einheitliche neue Verfahren, die Angleichung der unterschiedlich gewachsenen Strukturen sowie die Reduktion von Medienbrüchen zwischen den Steuerverwaltungen auf nationaler aber mit Blick auf den internationalen Informationsaustausch auch internationaler Ebene, sowie im Verhältnis zu den Steuerpflichtigen. Als besonders gewinnbringend habe sich in in diesem Zusammenhang das KONSENS-Vorhaben erwiesen, das Vorbildfunktion für andere Bereiche des E-Government außerhalb von Steuern habe (Stichwort: FITKO). Zukünftig ist von Seiten der Finanzverwaltung mit einem verstärkten Einsatz von Risikomanagementsystemen (RMS) zu rechnen. Ziel sei die risikogesteuerte Erklärungsbearbeitung ohne Personaleinsatz in Massenverfahren. In der Außenprüfung seien der verstärkte Einsatz von elektronischen Datenzugriffen und die Verbesserung von Prüf- und Auswertungstools entscheidend.

Steuerberatung jenseits von Aktenbergen

Herr Möller ging unter dem Titel „Steuerberatung jenseits von Aktenbergen“ auf Implikationen der Digitalisierung auf die Tätigkeit der Steuerberater ein und zeichnete das Bild von technologiegestützen Beratungsleistungen. Er stellte verschiedene Tools seiner Firma vor. Zu erwähnen seien an dieser Stelle Applikationen zur „Echtzeit“-Unternehmensbewertung für erbschaftsteuerliche Zwecke, zur automatischen Einholung von Kurswerten für Teilwertabschreibungen und das Betriebsstätten-Monitoring. Zudem arbeite man an einem Tool, das basierend auf dem machine learning eigenständig Steueranalysen durchführe. Gespeist werde das selbstlernende System durch Steuertexte und steuerliche Gutachten.

Herausforderungen für die Steuerpolitik

Professor Fuest behandelte in seinem Vortrag Herausforderungen der Digitalisierung für die Steuerpolitik. Zunächt beleuchtete er das Verhältnis zwischen Digitalisierung und Produktivität. Anders als vielfach vermutet, sei das Wachstum der Arbeitsproduktivität simultan zur Digitalisierung sowohl global betrachtet als auch allein auf Deutschland bezogen gesunken. Dies zeige, dass wir weit davon entfernt sind, dass Maschinen (oder besser: Computer) die Arbeit der Menschen übernehmen. Ferner führte Prof. Fuest aus, dass die Arbeitsproduktivität von nur wenigen führenden Unternehmen angetrieben werde, was einerseits eine Winner-takes-it-all Ökonomie und andererseits ansteigende Lohnungleichheit zwischen den Unternehmen begünstige.

Im Hinblick auf die aktuelle steuerpolitische Diskussion (Stichwort: Equilization Tax, virtuelle Betriebsstätte, siehe hier im Blog) machte Prof. Fuest zwei zentrale Anmerkungen. Erstens: Die Mobilität der Unternehmen im Bereich der digitalen Wirtschaft erleichtert Steuergestaltungen und verschärft den Steuerwettbewerb zwischen den Staaten. Zweitens: Der Ort der Wertschöpfung ist bei digitalen Geschäftsmodellen nicht eindeutig bestimmbar, was der Ökonom an diversen digitalen Geschäftsmodellen demonstrierte. Das politische Ziel, die internationale Unternehmensbesteuerung an den Ort der Wertschöpfung zu koppeln, sei nicht operationabel, so seine Auffassung. Selbstverständlich sei es möglich, eine Aufteilung durch Abbildung von Leistungsbeziehungen und Bildung von Verrechnungspreisen zu erreichen, nur könne dadurch eben nicht gewährleistet werden, dass die Besteuerung auch am Ort der tatsächlichen Wertschöpfung erfolge. Pragmatischer wäre hingegen eine formelhafte Aufteilung des Besteuerungssubstrats (Stichwort: CCCTB). Um Besteuerungsaufkommen zu sichern, empfahl Professor Fuest den Staaten, die Besteuerung stärker an den immobilen Faktoren Konsum und Grundvermögen auszurichten.

Den Impulsvorträgen schlossen sich kontroverse Diskussionen an. Dabei blieb auch der Aspekt der Disruption und Zukunft der Steuerberater nicht unberührt, was teilweise auch geradezu emotionale Reaktionen im Publikum auslöste. Ein mittelständischer Berater gab zu bedenken, dass in seiner Berufspraxis der digitale Wandel seine Mandanten häufig mehr überfordere als seine Kanzlei. Davor, dass der Beruf des Steuerberaters aussterbe, hätte sein Sohn ihn schon vor 20 Jahren gewarnt, als es mit „Computern losging“. Er könne sich aber bis heute nicht über mangelnde Arbeit bei gutem Auskommen beklagen. Ein großer Teil seiner Arbeit bestünde darin, zu beraten und Wissen zu vermitteln. Die persönliche Beziehung zum Mandanten sei da von entscheidender Bedeutung.

Auf die Frage hin, ob andere Bereiche der Rechtsberatung ebenfalls vom Digitalen Wandel „bedroht“ seien, antwortete Prof. Blumenberg, dass sich die Arbeitsmethoden etwa im Bereich M&A nicht wirklich ändern würden. Das Business der Mandanten aber, das sich im Zuge der Digitalisierung verändere, gelte es weiterhin zu verstehen, um gute Beratungsleistungen erbringen zu können. Die Diskutanten rieten dem steuerlichen Nachwuchs bei der Ausrichtung ihrer Karrieren auf hochqualifizierte Beratung, Internationalität und/oder die Digitalisierung selbst zu setzen.

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