Non-fungible Token (NFT) erleben seit Monaten einen regelrechten Hype in der Krypto Community. Im Jahr 2021 erreichte der NFT-Handel ein Volumen nach Medienberichten von ca. 17 Milliarden US-Dollar. So beliebt fungible wie non-fungible Token im Krypto-Handelsverkehr sind, so unsicher ist deren rechtliche Handhabung. In Großbritannien hat der High Court in Lavinia Deborah Osbourne v. (1) Persons Unknown and (2) Ozone Networks Inc. trading as Opensea entschieden, dass der Erwerb von Eigentum an NFTs möglich ist (s. Meldung von ARTnews v. 29.4.2022).
Abgrenzung zwischen fungbile und non-fungible Token
Token wurden bislang insb. mit Kryptowährungen (payment token) assoziiert. Derweil sind jedoch noch andere Ausgestaltungen denkbar, etwa wie Security oder Utility Token. All diese Tokenformen haben gemeinsam, dass deren „Wert“ aus ihrer zugrundeliegenden Funktion (zB. als Zahlungsmittel) resultiert. Für den „Eigentümer“ ist es daher irrelevant, welcher spezifische Token ihm zugewiesen wird, sodass es sich insoweit um fungible Token handelt.
Bei non-fungible Token (NFT) determiniert deren Individualität deren Wert. In der Konsequenz mangelt es an der Austauschbarkeit der Token, dh. an deren Fungibilität. Im Gegensatz zu fungiblen Token ist es bei NFTs nicht möglich, den Token in mehrere Fragmente zu zersplittern bzw. aufzuteilen. Ein NFT enthält über die Blockchain eine Token-ID, den entspr. „Eigentümer“ sowie den Hashwert einer im Internet gespeicherten Meta-Datei. Dieser Hashwert der durch den NFT verkörperten Datei ermöglicht es, die verknüpfte Datei (zB. eine Bilddatei) abzurufen, einzusehen und herunterzuladen. Der NFT hat eine Zertifizierungsfunktion. Denn der NFT zertifiziert, dass eine Person von einer bestimmten Datei einen NFT erstellt hat, welcher einem „Eigentümer“ zuzuweisen ist und nur von diesem übertragen werden kann.
Das Urteil des „High Courts“ zum Eigentum an NFT
In dem entschiedenen Urteil des UK High Courts hatte die Antragstellerin eine einstweilige Verfügung zum Einfrieren von Eigentum in Bezug auf zwei einzigartige digitale Kunstwerke der „Boss Beauties series“ (NTFs) gefordert. Im Januar 2022 erfolgte der Diebstahl diese zwei NFTs aus ihrer Wallet. Jedoch konnte sie den „digitalen Weg“ der gestohlenen NFTs nachverfolgen. Das britische Gericht urteilte, dass die Klägerin Eigentum an den NFTs erworben hat und erlies bis zum Abschluss des Verfahrens eine einstweilige Verfügung. Bei der Entscheidung des britischen Gerichts muss berücksichtigt werden, dass die Antragstellerin den Weg „ihrer NFTs“ auf der Blockchain nachverfolgen konnte. Andernfalls hätte sonst möglicherweise das britische Gericht auch zu Ungunsten der Antragstellerin entscheiden können. Denn wären die NFTs nicht „lokalisierbar“, wäre ein „Einfrieren“ dieser Assets potenziell schwieriger.
Da Krypto-Assets in der Vergangenheit Hacking-Angriffen ausgesetzt waren, ist dieses Urteil zumindest für die User erfreulich. Denn es könnte auch für andere Rechtsordnungen eine Ausstrahlwirkung entfallen, sodass dort ebenfalls Eigentum an NFTs (oder Krypto-Assets im Allgemeinen) bejaht werden könnte. Ob andere Länder und Gerichtsbarkeiten sich der Einordnung von NFTs als Eigentum anschließen, bleibt allerdings abzuwarten.
Eigentum an Krypto-Assets unter der „code is law“-Denke
Die Entscheidung könnte aber mitunter nicht bei allen Akteuren Begeisterung hervorrufen. Insbesondere bei den Verfechtern der „code is law“-Denke. Danach soll das „Eigentum“ an Krypto-Assets bei demjenigen liegen, der über den Code nachweisen kann, dass er die Krypto-Assets besitzt bzw. über diese verfügen kann. In diesem Zusammenhang wird ebenfalls die Auffassung vertreten, dass sich Regierungen oder Handelsplattformen nicht in Eigentumsdebatten bei Krypto-Assets einmischen sollen. Nach dieser Denke ist daher die Eigenverantwortung eines jeden Users seine digitalen Assets zu schützen. „Code is law“ kann auch dahingehend verstanden werden, dass rechtsstaatliche Institutionen und Regeln in der Krypto-Welt keine Rolle spielen sollen.
Stand der zivilrechtlichen Eigentumsdebatte an NFT in Deutschland
Die in Deutschland geführte Debatte um zivilrechtliches Eigentum an einem NFT könnte durch die Entscheidung des britischen Gerichts Anschub erhalten. Jüngst setzte sich Guntermann (RDi 2022, S. 200 – 208) mit der Erlangung zivilrechtlichen Eigentums an NFTs auseinander. NFTs sind – ebenso wie fungible Token – nicht eigentumsfähig iSv. §§ 90, 903 BGB (ausf. Guntermann, RDi 2022, 200 [203 f.]). Auch ein immaterialgüterrechtlicher Schutz von NFTs komme nicht in Betracht, weil der Token an sich keine urheberrechtlich relevante Schöpfung darstellt, sondern nur das blockchainbasierte Programm (inkl. Programmcode) (Guntermann, RDi 2022, 200 [205 f.]). Auch dingliche Rechtspositionen an NFTs seien aktuell ausgeschlossen (Guntermann, RDi 2022, 200 [207]). Eher kommt – analog zu fungiblen Token – die Subsumption als sonstiger Gegenstand iSv. § 453 Abs. 1 BGB in Betracht (so zu fungiblen Token: BT-Drs. 19/21157, zu Frage 2), wobei dann nur ein bedingter Eigentumsschutz besteht.
Rechtliche Zukunft: Eigentumsregelungen für digitale, unkörperliche Gegenstände?
Als Stärke des BGB gilt dessen Technologieneutralität. Dies beißt sich jedoch, wenn man die fehlende Möglichkeit des zivilrechtlichen Eigentumserwerbs an digitalen Vermögenswerten betrachtet. Deshalb wird die Schaffung eigenständiger Regelungen für digitale Vermögenswerte angeregt. Wie diese aussehen könnten, wird in diesem Zusammenhang nicht erläutert oder nur grob skizziert. Feststehen dürfte, dass eigenständige Regelungen für digitale Vermögenswerte im Allgemeinen und Krypto-Assets im Speziellen sich diametral zu den „code is law“-Ansichten der Krypto-Community verhalten.
Ist das Steuerrecht technologieneutraler als das Zivilrecht?
Steuerrechtlich dürfte die Entscheidung des britischen High Court über den Eigentumserwerb von NFTs keine wesentlichen Veränderungen herbeiführen. Denn nach aktuell überwiegender Meinung stellen (fungible) Token Wirtschaftsgüter dar (so jüngst FG Köln v. 25.11.2021 – 14 K 1178/20, DStRK 2022, 106; so auch BMF-Schreiben v. 10.5.2022, Rn. 31). Folglich ist der Erwerb und der Verkauf von im Privatvermögen gehaltenen Token innerhalb eines Jahres ein steuerpflichtiges Ereignis (§ 23 EStG). Für NFTs wird dies ebenfalls gelten müssen. Steuergesetzliche Anpassung an die neue (digitale) „Asset-Klasse“ der Kryptos sind bislang aus Sicht des Gesetzgebers wohl nicht erforderlich gewesen. Es bleibt daher abzuwarten, ob ein möglicher Zuschnitt des Zivilrechts auch mit Änderungen des Steuerrechts einhergeht. Denkbar ist auch, dass für Krypto-Assets ein eigenständiger Steuertatbestand gesetzlich festgeschrieben wird. Dies scheint aktuell nicht erforderlich, sodass das Steuerrecht wohl in Bezug auf die Technik „neutraler“ oder „offener“ erscheint als das Zivilrecht. Der Schutz des Steueraufkommens ist eben besonders wichtig…