Public hearing EU Parliament FISC Subcommittee: “The impact of new technologies on taxation: crypto and blockchain”

Am 9.11.2021 von 9:00 bis 10:30 Uhr fand ein Public hearing vor dem EU-Parlament des FISC subcommittee zum Thema „The impact of new technologies on taxation: crypto and blockchain” statt. Das Thema wurde mit verschiedenen Experten und EU-Parlamentariern diskutiert. Während der Anhörung nahmen neben mir folgende Experten teil:

  • Michelle Harding – Senior economist and Head of the Tax Data and Statistical Analysis Unit im Centre for Tax Policy and Administration der OECD;
  • Dr. Andreas Thiemann, Wissenschaftler im Fiscal Policy Analysis team – Joint Research Centre of the Commission (JRC);
  • Alberto García Valera, Partner bei EY Law in Spanien.

Divergenz von internationalen Besteuerungsansätzen von Kryptowährungen

In der ersten Hälfte der Anhörung referierten die Experten zu ausgewählten Themenkomplexen, gefolgt von einer Fragerunde der EU-Abgeordneten. Die Referate wurden von Frau Harding mit einer Übersicht zur internationalen Besteuerung von Kryptowährungen eröffnet. Die nationalen Besteuerungsregime divergieren im Bereich der direkten Besteuerung stark und reichen bis zu einer kompletten Nichtbesteuerung von Kryptowährungen. Im Bereich der indirekten Besteuerung überschneiden sich die Systeme stark und führen in den meisten Fällen zu keinem steuerbaren Vorgang. Leider eröffnen sich auch Terrorismus- und Geldwäschepotenziale durch den Einsatz von Kryptowährungen. Die Ergebnisse sollen im Jahr 2022 in einem eigenen Report publiziert werden.

Notwendigkeit eines stärkeren Besteuerungsfokus aufgrund gesteigerter Marktkapitalisierung

Im zweiten Vortrag erläuterte Herr Thiemann die Notwendigkeit einer stärkeren Beschäftigung mit der Besteuerung von Kryptowährungen aufgrund der stark gestiegenen Marktkapitalisierung (s. ausführlich JRC Technocal Report, Cryptocurrencies: An empirical view from a tax perspective, 2021). Im Oktober 2021 betrug die Marktkapitalisierung von Kryptowährungen 2,2 Billionen Euro. Bitcoin nimmt mit 46 % den größten Anteil der Marktkapitalisierung ein. Im Jahr 2020 wurden in der EU für Bitcoin Gewinne in Höhe von 3,6 Milliarden Euro realisiert. Besteuerungsschwierigkeiten resultieren insbesondere durch die Pseudoanonymität von Kryptowährungen und durch die Tatsache, dass Steuerdaten nur spärlich und selektiv vorliegen (aktuell besteht noch kein automatischer Informationsaustausch). Potenzielle Steuereinnahmen werden in der EU für das Jahr 2020 auf 844 bis 900 Millionen Euro geschätzt. Zu berücksichtigen bleibt, dass sich die Marktkapitalisierung von Kryptowährungen innerhalb eines Jahres verdreifacht hat. Es wird im Bereich der Kapitalgewinne durch Kryptowährungen von Steuerhinterziehung bzw. -vermeidung ausgegangen.

Herr Valera nahm stärker auf die Definition von „Crytoassets“ Bezug und erläuterte unterschiedliche Ansätze, wie z.B. die fünfte Geldwäscherichtlinie sowie die spanische und europäische Rechtslage.

Technische Opportunitäten der Blockchain-Technologie

In meinem Vortragsslot bin ich verstärkt auf die technischen Opportunitäten der Blockchain-Technologie für das Steuerrecht eingegangen. Inzwischen wurden vielfältigste Potenziale der Blockchain-Technologie für das Steuerrecht und Use-Cases identifiziert. Insbesondere im Bereich der indirekten Besteuerung eröffnen sich Potenziale durch die Einführung eines europäischen Blockchain-basierten Mehrwertsteuersystems, in dem Rechnungsdaten manipulationssicher und in einem End-to-End-Prozess erfasst werden. In einem größeren Bild bieten sich insbesondere Synergieeffekte durch die Etablierung eines Blockchain-basierten steuerlichen Self-Sovereign Identity Systems. Dadurch könnten unterschiedlichste steuerliche Blockchain Use-Cases erfasst werden (siehe Statement).

Diskussionsrunde: Zukunft von DeFi & Besteuerung von Kryptowährungen

Die anschließende Fragerunde wurde von interessierten Parlamentariern geleitet. Als Themenschwerpunkte wurden zum einen die Zukunft von DeFi (sog. Decentralized Financing) sowie die Besteuerung von Kryptowährungen angeschnitten. Als eine zentrale Frage wurde der ökologische Fußabdruck von Kryptowährungen und Blockchain-Anwendungen adressiert. In diesem Zusammenhang wurde die Frage gestellt, ob Kryptowährungen mit einem hohen ökologischen Fußabdruck wie Bitcoin verboten werden sollten. Im Ergebnis ergibt sich der hohe ökologische Fußabdruck insbesondere bei Bitcoin durch den typischen Konsensmechanismus Proof-of-Work. Dieser ist für die Validierung von Transaktionen notwendig. Alternativ gibt es noch andere Konsensmechanismen, wie Proof-of-Stake oder Proof-of-Authority. Die Umweltproblematik wurde bereits durch mehrere Kryptowährungen wie Ethereum adressiert und der anfängliche Proof-of-Work zu einem Proof-of-Stake Konsensmechanismus umgewandelt. Für steuerliche Blockchain-Anwendungen oder Blockchain-Infrastrukturen eignen sich besonders energiearme Anwendungen wie der Proof-of-Authority Konsensmechanismus. Dieser wird bereits in der European Blockchain Service Infrastructure eingesetzt (dazu erscheint bald ein Beitrag von Bernhard Liekenbrock und mir in beck.digitax 6/2021).

Ausblick

Die öffentliche Anhörung wurde mit Einzelstatements / einem Meinungsaustausch der Experten abgeschlossen. Aus meiner Sicht können viele Probleme, die durch die Blockchain-Technologie verursacht werden (bspw. Steuerhinterziehung, Anonymität, Energieverbrauch) auch durch technische Blockchain-Lösungen gelöst werden. In China werden Blockchain-Anwendungen im Allgemeinen sowie im Steuerrecht bereits konsequent vorangetrieben (Müller, Blockchain Applications in Asian Tax Administrations, in: APTB 2020 Vol 26 No. 2). Insgesamt muss deshalb Europa stärkere Investitionen in die Blockchain-Technologie tätigen, damit die digitale Souveränität nicht verloren geht.

Die Veranstaltung wurde aufgezeichnet und ist hier abrufbar.