Fokus Teil 4: Belegeingang
In den bisherigen Teilen der Blogreihe zum IDW PH 9.860.4 ging es um die Anforderungen an eine Verfahrensdokumentation (s. Liekenbrock, Blogbeitrag vom 10.09.2021) sowie die Umsetzung und Ausgestaltung von generellen IT-Kontrollen zur Sicherung des GoBD-Kontrollrahmens als Basiselement des PH (s. Liekenbrock, Blogbeitrag vom 17.09.2021). Dieser Blogbeitrag widmet sich im dem ersten Ergänzungselement des PH, den GoBD-Anforderungen an den Belegeingang.
Beleg-, Journal- und Kontenfunktion als Kernelement einer ordnungsmäßigen elektronischen Buchführung
Die Einhaltung der Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) ist durch die in ein IT-gestütztes Verfahren involvierten Applikationen angemessen zu unterstützen. Insbesondere haben die Applikationen die Beleg-, Journal- und Kontenfunktion adäquat zu erfüllen. Dies ergibt sich hinsichtlich der Belegfunktion aus dem vierten Abschnitt (Tz. 61-81) und für die Journal- und Kontenfunktion aus dem fünften Abschnitt des GoBD-Schreibens (Tz. 82-99).
Belegfunktion
Die Belegfunktion ist Ausfluss des Grundsatzes der Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit der Buchführung vom Urbeleg bis zum Abschluss (§ 145 Abs. 1 AO, § 238 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 HGB). Jede Buchung ist demnach vollständig durch einen Beleg nachzuweisen („keine Buchung ohne Beleg“).
Journalfunktion
Die Journalfunktion verlangt, dass alle buchungspflichtigen Geschäftsvorfälle zeitnah nach ihrer Entstehung einzeln, richtig, vollständig und verständlich in zeitlicher Reihenfolge aufgezeichnet werden und in dieser Reihenfolge ausgegeben werden können (GoBD, Tz. 82). Während mit der Erfüllung der Belegfunktion die Existenz und Verarbeitungsberechtigungen eines Geschäftsvorfalls nachgewiesen werden muss, hat die Journalfunktion den Nachweis der tatsächlichen und zeitgerechten Verarbeitung der Geschäftsvorfälle zum Gegenstand (GoBD, Tz. 90).
Kontenfunktion
Die Kontenfunktion verlangt, dass die im Journal in zeitlicher Reihenfolge aufgezeichneten Geschäftsvorfälle auch in sachlicher Ordnung auf Konten abgebildet werden (GoBD, Tz. 95). Bei rechnergestützten Buchführungsverfahren werden Journal- und Kontenfunktion in der Regel gemeinsam wahrgenommen, indem bereits bei der erstmaligen Erfassung des Geschäftsvorfalls alle für die sachliche Zuordnung notwendigen Angaben erfasst werden. Diese Funktionen werden bei integrierten Softwarelösungen, z. B. durch maschinelle Kontenfindungsverfahren, unterstützt.
Beleg und die Belegfunktion
Der Beleg ist die Grundlage für eine Buchung, sodass der Beleg als Buchungsnachweis fungiert. Die Belegkraft besteht darin,
- als Uraufzeichnung die sachliche Richtigkeit des Geschäftsvorfalls zu dokumentieren,
- die Verbindung zwischen dem Geschäftsvorfall und dessen Aufzeichnung in den Grundbüchern herzustellen und
- für die Dauer der Aufbewahrung die Buchführung beweiskräftig zu halten.
Der Grundsatz des Buchungsnachweises mittels Beleg gilt auch beim Einsatz von Informationstechnologie. Jede Art von Dokument (ob papierbasiert oder digital) kann grundsätzlich Belegcharakter entfalten. Indes haben empfangene oder abgesandte Handels- oder Geschäftsbriefe nicht automatisch die Funktion eines Buchungsbelegs. Diese Funktion erhalten sie erst mit dem Kontierungsvermerk und der Verbuchung (GoBD, Tz. 63).
Digitale Belege können in unterschiedlicher Ausprägung auftreten und
- als digitales Ergebnis eines IT-gestützten Verarbeitungsprozesses oder
- durch das Digitalisieren von Papierbelegen im Unternehmen entstanden sein oder
- als digitale Daten (z.B. per E-Mail) Eingang in das Unternehmen gefunden haben (GoBD-Leitfaden AWV v. 11.05.2021).
Die Mindestinhalte eines Buchungsbelegs werden in Tz. 77 des GoBD-Schreibens erörtert. Es handelt sich um die folgenden Angaben:
- Eindeutige Belegnummer als primäres Identifikationsmerkmal
- Benennung von Belegaussteller und -empfänger
- Betrag bzw. Mengen- oder Wertangaben, aus denen sich der zu buchende Betrag ergibt
- Währungsangabe und Wechselkurs im Falle einer Buchung in Fremdwährung
- Hinreichende Erläuterung des Geschäftsvorfalls (Buchungstext)
- Belegdatum
- Verantwortlicher Belegaussteller, soweit vorhanden.
Die Mindestinhalte sind um weitere Angaben zu ergänzen, falls dies zum Verständnis und zur Überprüfung der für die Besteuerung gesetzlich vorgeschriebenen Aufzeichnungen im Einzelfall notwendig erscheint. Dabei kann es sich bspw. um umsatzsteuerliche Rechnungsangaben nach §§ 14, 14a UStG und § 33 UStDV oder auch um Angaben zur Bewertung und zur Zahlungsform (GoBD, Tz. 78+79).
Elektronische Rechnungen werden elektronisch weiterverarbeitet, da eine „Re-Analogisierung“ im digitalen Kanal unzulässig ist. In dem Fall kann die geforderte Kontierung nicht auf dem Beleg erfolgen. Daher sind die folgenden Punkte zu beachten:
- Der Originalzustand des elektronischen Rechnungsbelegs muss jederzeit lesbar und somit prüfbar gemacht werden können.
- Abänderungen oder andere Bearbeitungsvorgänge, wie bspw. das Anbringen von Kommentaren oder Vermerken, müssen protokolliert und mit dem Rechnungsbeleg abgespeichert werden.
- Eine Verfahrensdokumentation muss beschreiben, wie die elektronischen Belege erfasst,
empfangen, verarbeitet, ausgegeben und aufbewahrt werden (s. zur Ausgestaltung einer geeigneten Verfahrensdokumentation: Damas, DB 2020, S. 1536). - Damit die Belegfunktion erfüllt ist, sind Angaben zur Kontierung, zum Ordnungskriterium für die Ablage und zum Buchungsdatum verbindlich vorgeschrieben.
- Pflichtangaben können entweder direkt auf dem elektronischen Beleg angebracht werden
oder durch eine Verbindung mit einem Datensatz mit den aufgeführten Angaben zur Kontierung oder durch eine elektronische Verknüpfung, bspw. durch Indexierung oder Barcode, erfolgen.
Gliederung der Anforderungsbereiche an den Belegeingang:
Das Ergänzungselement zum Belegeingang wird im IDW-Prüfungshinweis 9.860.4 (IDW Life 2021, 865) in die folgenden Anforderungsbereiche untergliedert:
- Generelle Anforderungen
- Spezifische GoBD-Anforderungen für die bildliche Erfassung von eingehenden Papierbelegen
- Spezifische GoBD-Anforderungen für den elektronischen Belegeingang
- Spezifische GoBD-Anforderungen für die Rechnungseingangsprüfung
Die generellen Anforderungen sind verbindlich. Hinsichtlich der spezifischen GoBD-Anforderungen kommt es – wie so oft – auf die Umstände des Einzelfalls an. Konkret bedeutet dies, dass die Anforderungen abhängig von Art und Form der eingehenden Belege sind.
Nachfolgend werden die einzelnen GoBD-Anforderungsbereiche zusammenfassend kommentiert. Den jeweiligen Einzelanforderungen werden im PH bespielhaft mögliche Prüfungshandlungen gegenübergestellt, die sich in Angemessenheits- und Wirksamkeitsprüfungen aufgliedern.
Generelle Anforderungen an den Belegeingang (IDW-PH Prüffelder 14-18)
Die generellen Anforderungen an den Belegeingang gelten für alle Arten und Formen von eingehenden Belegen gleichermaßen. Die GoBD-Anforderungen dienen der IT-technischen Umsetzung der gemäß den steuerlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) geltenden Kontrollziele:
- Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit (145 Abs. 1 und § 146 Abs. 3 AO),
- Vollständigkeit, Richtigkeit, Zeitgerechtigkeit und Ordnung (146 Abs. 1 S. 1 AO) sowie
- Unveränderbarkeit (146 Abs. 4 AO).
Um diese GoB-Kontrollziele zu verwirklichen, sind nach dem IDW-PH die folgenden fünf generellen GoBD-Anforderungen einzuhalten:
- Vermeidung doppelter Belegerfassung
- Richtigkeit
- Systematische Erfassung und Aufbewahrung nach bestimmten Ordnungsprinzipien
- Unveränderbarkeit (Bewegungsdaten)
- Unveränderbarkeit (Geschäftsprozessbezogenen Stammdaten)
Das erste GoB-Kontrollziel (Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit) wird durch alle GoBD-Anforderungen gleichermaßen verwirklicht. Das zweite GoB-Kontrollziel (Vollständigkeit, Richtigkeit, Zeitgerechtigkeit und Ordnung) wird insbesondere durch die drei erstgenannten GoBD-Anforderungen abgedeckt.
Das Kontrollziel der Unveränderbarkeit wird im PH in Anforderungen an Bewegungsdaten und Stammdaten aufgeteilt. Dies ist ein Hinweis auf die besondere Bedeutung des Stammdatenmanagements im Rahmen digitaler Geschäftsprozesse. Nur die korrekte (zeitliche) Synchronisation von Stammdaten mit den Bewegungsdaten eines Geschäftsvorfalls gewährleistet eine korrekte elektronische Verarbeitung des Vorgangs (s. zur Bedeutung von Stammdaten: Liekenbrock, Blogbeitrag v. 19.03.2021).
Für die Angemessenheitsprüfung sind regelmäßig die Verfahrensdokumentation des zugrundeliegenden IT-Verfahrens sowie ergänzende Unterlagen heranzuziehen, um das IT-Verfahren im SOLL-Zustand beurteilen zu können. Im Rahmen einer Wirksamkeitsprüfung wird der IST-Zustand des IT-Verfahrens anhand von Systemeinblicken, Protokollierungen und einzelner bzw. umfassender Kontrolltests überprüft.
Spezifische GoBD-Anforderungen für die bildliche Erfassung von eingehenden Papierbelegen (IDW-PH Prüffelder 19-27)
Die GoBD-Anforderungen an den Belegeingang im Fall der bildlichen Erfassung von eingehenden Papierbelegen sind dadurch geprägt, dass der Prozessfluss manuelle und systemgestützte Aktivitäten beinhaltet. Dadurch wird auch das Kontrollumfeld beeinflusst, ob manuelle oder systemseitige Kontrollen zu erfolgen haben. Dieses Kontrollumfeld ist zu optimieren, d.h. es gilt manuelle und systemseitige Kontrollen zu verzahnen und optimal aufeinander abzustimmen.
Der IDW-PH benennt die folgenden GoBD-Anforderungen, die sich im Wesentlichen am chronologischen Ablauf des Belegeingangs zu digitalisierender Belegunterlagen ausrichten:
- Anforderungen und Inhalt einer Organisationsanweisung
- Vollständigkeit
- Belegsicherung
- Maßnahmen vor der bildlichen Erfassung (Aufbereitung)
- Ordnungsgemäße bildliche Erfassung
- Lesbarkeit (Bildliche Wiedergabe)
- Weiterbearbeitung (der Papierbelege nach der bildlichen Erfassung)
- OCR-Verarbeitung
- Vernichtung von Papierbelegen
Im Zentrum der Betrachtung steht der Digitalisierungsvorgang, da hier ein Medienwechsel von der analogen zur digitalen Sphäre stattfindet. Ein solcher „Medienbruch“ geht mit einer Erhöhung inhärenter Fehlerrisiken einher. Um überhaupt in die Sphäre der GoBD-Konformität zu gelangen, ist es zunächst notwendig, eine verbindliche Organisationsanweisung zu erlassen. Eine solche Organisationsanweisung regelt für alle Prozessbeteiligten die im Rahmen des Digitalisierungsprozesses notwendigen Schritte, d.h. die vollständige und lückenlose Belegerfassung sowie die bildliche Erfassung und Weiterverarbeitung bis zur Papierbelegvernichtung..
Ein Ziel von Digitalisierungsprojekten liegt oft auch in der Vermeidung von Papier. Tatsächlich geht die Belegkraft nach der bildlichen Erfassung der Papierbelege auf die digitalisierten Belege über. Somit können im Anschluss die Papierbelege vernichtet und entsorgt werden, solange keine außersteuerlichen oder steuerlichen Vorgaben die Aufbewahrung der Originalunterlagen vorschreiben.
Spezifische GoBD-Anforderungen für den elektronischen Belegeingang (IDW-PH Prüffelder 28-32)
Die GoBD-Anforderungen für den originär elektronischen Belegeingang verlangen nach einer Unterscheidung in Belegeingänge mit strukturierten bzw. unstrukturierten Informationen. Belegeingänge mit strukturierten Daten haben den Vorteil, dass die Weiterverarbeitung der Daten meist ohne (aufwendigen) Formatwechsel vorgenommen werden kann und somit Fehlerquellen ausgeschlossen werden. Um den Vorteil verlässlich nutzen zu können, müssen die Geschäftspartner den Belegaustausch aufeinander abstimmen.
Der PH benennt die folgenden GoBD-Anforderungen:
- Vollständiger Eingang originär elektronischer Belege
- Belegsicherung
- Lesbarkeit (Bildliche Wiedergabe) (Belege in unstrukturierter Form)
- OCR-Verarbeitung (Belege in unstrukturierter Form)
- Lesbarkeit (Belege in strukturierter Form)
Inhaltlich sind die GoBD-Anforderungen sowie auch die beispielhaften Prüfungshandlungen nahezu identisch zum Papierbelegeingang mit anschließender Bilderfassung. Lediglich bei der Anforderung der Lesbarkeit zeigen sich Unterschiede. Die Lesbarkeit unstrukturierter Belegformate zielt auf eine bildliche Wiedergabe ab, während die wesentlichen Belegmerkmale strukturierter Belegformate ausschließlich in ihrer originären Applikationsumgebung visualisiert werden können.
Spezifische GoBD-Anforderungen für die Rechnungseingangsprüfung (IDW-PH Prüffelder 33+34)
Vorbehaltlich der Zustimmung des Rechnungsempfängers können Rechnungen auf elektronischem Weg übermittelt werden. Neben den Pflichtangaben einer Rechnung gemäß § 14 Abs. 4 UStG muss einerseits die Echtheit der Herkunft („Authentizität“) und die Unversehrtheit des Inhalts („Integrität“) gewährleistet werden.
In der Praxis sind u.a. die folgenden Varianten der Rechnungsübermittlung gebräuchlich:
- Eine elektronisch übermittelte Rechnung wird mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein (vgl. Signaturgesetz und Signaturverordnung).
- Die Übertragung der Rechnung erfolgt mittels EDI (Electronic Data Interchange). Dazu wird die Rechnung in einem strukturierten Datenformat (meistens EDIFACT) übertragen und dann vom Rechnungsempfänger automatisiert eingelesen. Es ist eine gegenseitige schriftliche Vereinbarung zum Verfahren zu dokumentieren.
- Die Rechnungsübermittlung erfolgt eMail-basiert in ein eigens für den Rechnungsempfand eingerichtetes eMail-Postfach auf der Empfängerseite. Die Rechnung ist diesen Fällen meist als eMail-Anhang mit einem unstrukturierten Belegdatenformat (bspw. PDF, TIF, JPEG, etc.) ausgestaltet.
Die geforderte Authentizität und Integrität einer elektronischen Rechnung ist mittels eines „innerbetrieblichen Kontrollverfahrens“ mit „verlässlichem Prüfpfad“ (§ 14 Abs. 1 Satz 6 UStG) zwischen der Rechnung und der zugrundeliegenden Lieferung oder Leistung auf der Seite des Rechnungsempfängers zu gewährleisten. Die ersten beiden Varianten beinhalten die geforderte Authentizitätsprüfung auf technologischem Wege, nicht aber die inhaltliche Prüfung der Rechnung. Zur Erfüllung der Kontrollanforderung gleicht der steuerpflichtige Rechnungsempfänger die eingegangene Rechnung mit der korrespondierenden Zahlungsverpflichtung im Sinne einer klassischen Rechnungseingangsprüfung ab.
Der Rechnungsempfänger prüft dabei insbesondere, ob
- die Rechnung in der Substanz korrekt ist, d. h. ob die in Rechnung gestellte Lieferung oder Leistung tatsächlich in dargestellter Qualität und Quantität erbracht wurde,
- der Rechnungsaussteller tatsächlich den Zahlungsanspruch hat und
- die vom Rechnungsaussteller angegebene Bankverbindung korrekt ist.
Schlussbemerkungen
Viele Unternehmen sind aktuell damit beschäftigt, ihre Geschäftsprozesse zu digitalisieren, um Optimierungspotentiale zu heben. Ein Hemmnis dieser Bemühungen liegt oft in Unsicherheiten hinsichtlich der Belegbehandlung, insbesondere in den Fällen, in denen im Prozessdurchlauf Formatänderungen inkludiert sind. Dieser IDW PH hilft, wesentliche Anforderungen an die prozessuale Belegbehandlung zu klären und somit Unsicherheiten hinsichtlich des eInvoicings abzubauen.
Es ist davon auszugehen, dass die Anzahl der eInvoicing-Projekte auch bei KMU-Unternehmen deutlich zunehmen werden.