Blockchain-Technologie in der Steuerwelt – Update Juli 2021

Allgemeines 

Die Implementierung der Blockchain-Technologie in (Massen-)Steuerprozesse gilt als „Meilenstein“ in Bezug auf den digitalen Wandel in der Steuerwelt. Denn zum einen hat diese Technologie den Vorteil der permanenten (fälschungssicheren) Dokumentation und zum anderen werden viele Vorgänge, die wir aus der analogen Welt kennen, digitalisiert. Dies spart Zeit und Kosten ein. 

Was versteckt sich nochmal hinter der Blockchain-Technologie?

Die Blockchain-Technologie wurde der breiten Öffentlichkeit durch die Kryptowährung Bitcoin ein Begriff. Diese fand den Weg in die Öffentlichkeit durch ein im Jahr 2008 unter dem dem Pseudonym „Satoshi Nakamoto“ veröffentlichtes Whitepaper „Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System“. 

In dem Entwurf eines BMF-Schreibens zu ertragsteuerlichen Behandlung von virtuellen Währungen gibt die Finanzverwaltung eine ziemlich genaue Definition der Blockchain.

Eine Blockchain ist eine Datenbank ohne zentrale Kontrolle mit mehreren Beteiligten, die die Distributed Ledger Technologie (DLT) verwendet. Ein Distributed Ledger ist ein Informationsspeicher, der über eine Reihe von DLT-Knoten gemeinsam genutzt und zwischen den DLT-Knoten („Node“) über einen Konsensmechanismus synchronisiert wird. Er ist so konzipiert, dass der Bestand manipulationssicher und unveränderbar ist und nur Hinzufügungen erlaubt. Im Kontext einer virtuellen Währung ist eine Blockchain eine dezentrale Datenbank auf der Grundlage der DLT, in der alle bestätigten Transaktionen festgehalten werden, vergleichbar mit einem dezentral geführten Kassenbuch. Den Namen „Blockchain“ erhält die Technologie, weil Transaktionsdaten in Blöcken mit fortzuschreibender Nummerierung zu einer Kette zusammengefasst werden. An deren Ende erfolgt eine fortwährende Hinzufügung neuer Blöcke. 

Zudem ist die Blockchain über bestimmte Zeichenfolgen (sog. „Hash“) verschlüsselt. Der Hash stellt damit die Unverfälschtheit des Blocks sicher, da bei nachträglichen Veränderungen der Daten im Block der Hash-Wert nicht mehr zu den veränderten Daten passt. Auf diese Art und Weise entsteht eine Kette von unveränderbaren Transaktionsblöcken. 

Aktuelle Entwicklungen

In den letzten Monaten wurden folgende behördliche Studien bzw. White-Paper zum Einsatz der Blockchain-Technologie in (Steuer-)Verwaltungen veröffentlicht:

Sämtliche der v.g. Beiträge setzen sich mit der Frage auseinander, an welchen Stellen der Einsatz von Blockchain-Technologie einen Nutzen für Bürger und Staat bringen kann. Das einheitliche Fazit stellt die Verifizierung von digitalen Identitäten der betroffenen Bürger und Unternehmen in den Fokus. Über abgesicherte Kommunikationswege soll der Daten-Transfer reguliert werden. 

Der etwas andere Weg

Die NEGZ-Studie stellt ein sogenanntes Filtermanagement vor (S. 7). Beim Durchlaufen der Entscheidungsbäume stehen sechs Stellschrauben im Fokus, die als Filter zur Klärung der generellen Eignung von Blockchain-Technologie und des Blockchain-Typs fungieren. Diese Herangehensweise ist sehr gefällig, denn der User kann sehr schnell feststellen, ob die Idee zur Umsetzung mittels Blockchain auch tatsächlich realisierbar ist. Die Filterfunktion wird als technologielastig beurteilt. Andere Ansätze kommen über den konkreten Sachverhalt und besitzen so eher eingeschränkte Umsetzungsmöglichkeiten.

Potenziale der Blockchain-Technologie für die Steuerpraxis

Digitale Identitäten

Einsatzfelder sieht die Studie des Bayerischen Landesamt für Steuern (9.1 Weitere Einsatzmöglichkeiten im Steuerbereich, S. 47) u. a. im Bereich: 

  • Verifikation einzelner Beträge oder Besteuerungsgrundlagen aus Steuerbescheiden,
  • Nachweis der Freistellungsbescheinigung iZm. der Bauabzugssteuer und 
  • Freistellungsbescheinigungen im Bereich der Kapitalertragsteuer. 

Festzuhalten bleibt hier, dass sich die Verwaltungen im Jahr 2021 in Bezug auf die Blockchain-Technologie „bloß“ mit der Verifizierung von Stammdaten (hier: „digitale Identitäten“) befasst. Dies kann dabei eher als „erster Schritt“ beurteilt werden. Wichtig ist die Erkenntnis der Studie, dass jeweils eine Prozessanalyse vorzunehmen ist, um den tatsächlichen Sachverhalt später abbilden zu können (S. 10).

Als Kommunikationstool sieht die vorgenannte Studie das ELSTER-Portal an. Um dies in Echtzeit umsetzen zu können, dürfte umfassender Arbeitsaufwand anfallen. Blickt man auf die Mitteilungspflicht nach § 146a Abs. 4 AO für elektronische Aufzeichnungssysteme muss man leider feststellen, dass diese seit 1 ½ Jahren überfällig ist, denn die Möglichkeit den Vordruck gemäß Gesetzestext für Mitteilungszwecke zu nutzen, steht bis heute aus. 

Die Verwaltung muss folglich mit einem funktionierenden und erprobten Tool an den Start gehen. 

Konkreter Use-Case „Steuernachweissystem“

Die Studie illustriert anhand der elektronischen Marktplätzen die digitale Identitätsprüfung mittels Blockchain (s. dort Tz. 6.1, S. 26). Im Kern geht es um die  steuerlichen Erfassung eines Onlinehändlers i.S.d. § 25e UStG, der auf einem elektronischen Marktplatz Ware verkauft. Das vorgeschlagene Lösungskonzept für die steuerliche Erfassung des Onlinehändlers baut auf dem Konzept der Self-Sovereign Identity (SSI) (Erläuterung Tz. 4.3, S. 15) sowie der Blockchain-Technologie auf, was einen sehr hohen Standard an Datenschutz gewährleistet. 

Bei dem Sachverhalt handelt es sich um einen mit hohem Steuerausfallrisiko (s. ausführlich Ramthun, Amazon war gestern, WiWo 25 v. 18.6.2021, 34). 

Die vertiefte Darstellung kann in der Studie auf den Seiten 26 – 30 nachgelesen werden. 

Weitere Use-Cases aus der Praxis mit Bewegungsdaten

Use-Case Steuer- und Zollfunktionen

Risse/Gries (beck.digitax 6.2020, 388 [392]) sehen in der Digitalisierung von analogen steuerrechtlichen und zollrechtlichen Prozessen eine Möglichkeit in diesen Bereichen die Blockchain-Technologie zu nutzen. Der dort beschriebene Praxisfall „taXchain“ beinhaltet eine innovative Lösung in Bezug auf die Langzeit-Lieferantenerklärung (LLE) i.S.d. Art. 62 UZK-IA im Zollbereich. Fakt ist, dass 83 % aller europäischen Unternehmen ihre LLE in Papierform ausstellen. Damit einher geht ein hoher Verwaltungs- und Personalkostenaufwand. Somit fördert die Blockchain-Technologie erhebliche Zeitersparnisse.

Use-CaseVerrechnungspreise

Drummer/Gries/Stettner (RET 2021, 24 [26]) beurteilen die Private Blockchain für die Compliance-Dokumentation im Zusammenhang mit Verrechnungspreisen als grundsätzlich geeignet. Denn diese zeichnet sich im Vergleich zu einer Public Blockchain durch ein geschütztes System aus und es lassen sich partiell (Konzern-)Unternehmen oder autorisierte Behörden hinzuschalten, indem Zugriffe erlaubt werden. Über den Konsensmechanismus Proof-of-Authority lassen sich zudem vertrauenswürdige Nodes verwalten. Diese wiederum haben dann die Legitimation zur Erstellung neuer Blöcke. 

Beispiel (Entnommen aus: Drummer/Gries/Stettner, RET 3/2021, 24 [26]): 

Bei einem Blockchain-Ökosystem mit 20 Nodes werden fünf davon als vertrauenswürdige Nodes (etwa von fünf verschiedenen Unternehmen) festgelegt. Zur Erstellung neuer Blöcke müssen dann mindestens bspw. drei der fünf vorgenannten Autoritäten zustimmen. Durch diese Handhabung könnte die Gefahr möglicher Betrugsabsichten minimiert werden, so dass der Einfluss der verbleibenden Nodes durch die Besetzung durch die vorgenannten Autoritäten nachhaltig gering gehalten werden kann. 

Baut man auf diese Struktur ein Blockchain-Ökosystem auf, kann man die beteiligten Finanzverwaltungen mittels situativen Lesezugriff Einblick in die Dokumentation der Verrechnungspreise verschaffen. Die Finanzverwaltungen hätten dann je nach Regelung in den nationalen Steuergesetzen die Möglichkeit in Echtzeit die zutreffende und fremdübliche Dokumentation der Verrechnungspreise zu prüfen und punktuell bestandskräftig zu setzen. 

Ausblick: 

Das Potenzial der Blockchain-Technologie in der Steuerwelt:

Risse/Gries (beck.digitax 6.2020, 388 [393]) haben für einen möglichen Einsatz der Blockchain-Technologie im Steuerrecht ein Mapping erstellt. Dieses zielt grundsätzlich auf Massenprozesse ab, die in der Regel multinational stattfinden. So stehen neben den bereits genannten Bereichen Umsatzsteuer, Zoll und Verrechnungspreise ferner auch die Bereiche Kapitalertragsteuer und Betriebsprüfung im Fokus. 

Unterkategorien werden wiederum mit der zeitlichen Entwicklungsfähigkeit angegeben. So ist denkbar, dass die zeitnahe Betriebsprüfung, die ja aktuell überall gefordert wird (s. Blogbeitrag vom 07.12.2020), in zwei Jahren mittels Blockchain-Technologien umsetzbar ist. 

Gleichwohl ist dies noch nicht unmittelbar für alle Prüfansätze umsetzbar. Denkbar wären jedoch jetzt schon etwa die Verrechnungspreisprüfung (s.o.) oder aber – bei entsprechender Systemumstellung – die Verifikation von E-Rechnungen (s. ausführlich Kollmann beck.digitax 2021, 209 [210]). Zudem wäre es mittels Blockchain-Technologie auch denkbar steuerlich relevante Kassendaten in quasi Echtzeit zu prüfen (s. hierzu ausführlich Danielmeyer, StBp 2021 „Mit einem modernen Risikomanagement hin zur zeitnahen Betriebsprüfung?“, im Erscheinen). 

Links:

Weitere Links zum Thema Blockchain in der Steuerpraxis:

Tax Tech Tools 

https://www.taxpunk.de/themen/33/kryptowaehrung/

Kryptowährungen

Entwurf eines BMF-Schreibens zu Kryptowährungen vom 17.06.2021“ Einzelfragen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von Token“ 

https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Steuerarten/Einkommensteuer/2021-06-17-est-kryptowaehrungen.pdf?__blob=publicationFile&v=2

Kryptowährungs- ABC

Teil 1

https://www.br.de/nachrichten/netzwelt/kryptowaehrung-erklaert-das-krypto-abc-teil1,SXO3vaO

Teil 2

https://www.br.de/nachrichten/netzwelt/kryptowaehrung-erklaert-das-krypto-abc-teil2,SXOGXY8

Juni 2021

Aktuelle Whitepaper/ Studien

https://negz.org/wp-content/uploads/2021/05/NEGZ-Positionspapier-Blockchain-2021.pdf

https://www.zh.ch/de/news-uebersicht/mitteilungen/2021/politik-staat/digitale-verwaltung/blockchain-in-der-oeffentlichen-verwaltung-neuer-praxisorientierter-leitfaden-als-entscheidungshilfe.html#-2038820315

Blockchain zum selbst machen

https://tool.handelsblatt.com/specials/blockchain/