Ein aktueller Gesetzesentwurf zur Anpassung der Vorschriften des BGB zum Verbrauchervertragsrecht sieht das „Bezahlen mit Daten“ vor. Sollte dieser Gesetzesentwurf entsprechend das Gesetzgebungsverfahren passieren, stellt sich die Frage, ob die Gleichstellung von Geldleistungen und der Hingabe von personenbezogenen Daten damit „salonfähig“ wird. Damit stellt sich sowohl die Frage nach dem Wert von (personenbezogenen) Daten als auch nach der „Strahlkraft“ der BGB-Änderung für andere Rechtsgebiete?
Änderungen des BGB zum „Bezahlen mit Daten“
Das aktuelle Verbrauchervertragsrecht ist anzuwenden, wenn der Vertrag eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand hat (§ 312 Abs. 1 BGB). Durch die Änderung in § 312 Abs. 1 BGB-E findet dies Anwendung, wenn der Verbraucher sich „zur Zahlung eines Preises“ verpflichtet. Ergänzend wird mit § 312 Abs. 1a BGB-E angeführt, dass die Regelungen des Verbrauchervertragsrechts ebenso anwendbar sind, wenn der Verbraucher dem Unternehmer personenbezogene Daten bereitstellt oder sich dazu verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn die Leistungserbringung ohne die Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten nicht notwendig ist. Gleiches gilt über § 327 Abs. 3 BGB-E bei der Bereitstellung digitaler Produkte.
Was etwas sperrig klingt, lässt sich mit folgendem Beispiel gut verdeutlichen:
Ein nicht näher zu beschreibender Zeitungsverlag bietet beim Aufrufen seiner Homepage zwei Möglichkeiten an.
- Möglichkeit: Der Besuch der Homepage mit dem entsprechenden Zugang zu den Zeitungsbeiträgen erfolgt ohne Werbung und Tracking, jedoch unter Zahlung eines Geldbetrages (z.B. 0,50 € für eine zeitlich begrenzten Zugang).
- Möglichkeit: Der Besuch der Homepage mit dem entsprechenden Zugang zu den Zeitungsbeiträgen erfolgt mit Werbung und Tracking, d.h. der Erhebung von personenbezogenen Daten und Übermittlung an Drittanbieter, aber ohne Zahlung einer Geldleistung.
Passiert die geplante Regelung das Gesetzgebungsverfahren, so würde das Verbrauchervertragsrecht auch bei der zweiten Möglichkeit Anwendung finden. Denn der Zeitungsverlag benötigt die vom Nutzer übermittelten personenbezogenen Daten nicht um die Vertragsleistung (Zugang zu Online-Nachrichten) zu erbringen.
Wert von personenbezogenen Daten
Die Möglichkeit des „Bezahlens“ mit Daten äußert sich darin, dass die Bereitstellung von Daten an eine Gegenleistung gekoppelt wird (z.B. Zugriff auf Online-Zeitschriftenbeiträge). Diese Änderung wirft die Frage auf, ob (insbesondere personenbezogene) Daten einen Wert haben und wenn ja, wie sich dieser Quantifizieren lässt.
Wertfaktor von Daten: die innewohnenden Informationen
Dazu muss man zweierlei unterscheiden: Daten und Informationen. Daten haben per se keinen eigenen, ihnen immanenten Wert. Vereinfacht dargestellt handelt es sich bei Daten lediglich um eine Aneinanderreihung von Zahlen, Zeichen oder Symbolen.
Wertvoll bzw. von Wert sind grundsätzlich die in den Daten schlummernden (persönlichen) Informationen. Diese werden aber erst durch die Verarbeitung der Daten gewonnen. Das heißt jedoch nicht, dass eine Datenverarbeitung zwingend zu einem Wertzuwachs führt. Denn der Wert von Daten wird immer durch die innewohnenden Informationen als auch durch die Person des Datenverarbeiters determiniert.
Personenbezogenen Daten einen pauschalen Wert zuzuordnen wäre zwar möglich, jedoch nicht sachgerecht. Denn der datenverarbeitende Unternehmer weiß in dem Zeitpunkt der Datenerhebung nicht, ob die entsprechenden Daten überhaupt für ihn wertvoll sind.
Mittelbare Ableitung eines Datenwertes über einen vorhandenen „Alternativpreis“?
Aus datenschutzrechtlicher Sicht muss der Nutzer seine personenbezogenen Daten „freiwillig“ für eine konkrete Gegenleistung freigeben (s. Erwägungsgrund 43 der DSGVO). Daher ist es grundsätzlich denkbar (wenn nicht sogar geboten), dass die Datenbereitstellung durch ein alternatives Angebot ersetzt werden kann. Dabei bietet sich die Substitution der Datenbereitstellung durch die Zahlung einer Geldleistung („Alternativpreis“) an (s. Bijok, ZfDR 2021, 75 [83]).
Dies wird auch in dem obige Beispiel deutlich. Der Nutzer kann auf die Erhebung seiner Daten verzichten und erhält Zugang zu den Leistungen des Unternehmers durch Zahlung eines Geldbetrages. Anders herum gesagt ist der Unternehmer bereit auf seinen möglichen Umsatz aus der Weitergabe der Daten an Dritte zu verzichten, wenn der Nutzer einen Geldbetrag zahlt. Insofern lässt sich ein Wert für die Bereitstellung der Daten daher aus dem Vergleichspreis ableiten.
Jedoch stellt sich gerade dann die Frage, wie hoch der „Alternativpreis“ sein darf, damit der Nutzer noch die freie Wahl zwischen der Preisgabe seiner personenbezogenen Daten und der Zahlung eines Geldbetrages hat. Theoretisch gesehen wird diesem Erfordernis insoweit Rechnung getragen, als dass der geforderte Geldbetrag nicht den Wert der geforderten Datenbereitstellung übersteigt. Letztendlich ist es aber entscheidend, ob und welchen Alternativpreis der Unternehmer den Nutzern anbietet.
Auswirkungen für das Steuerrecht?
Denkbare Akzeptanz personenbezogener Daten als steuerliche Gegenleistung
Die zivilrechtliche Akzeptanz von Daten als Gegenleistung könnte sich grds. auch auf das Steuerrecht auswirken. Theoretisch wären Folgeänderungen im Umsatzsteuerrecht denkbar. Beispielsweise liegt der wirtschaftliche Kern des obigen Beispiels in einem „Tausch“: personenbezogener Daten gegen eine Leistung (Zugang zu Zeitungsbeiträgen). Präzisiert ausgedrückt sind jedoch nicht die Daten der eigentliche Gegenstand der Leistung, sondern der Nutzer räumt dem Verlag ein Recht zur Datenauswertung ein. An dem grundsätzlichen Tauschcharakter ändert dies aber nichts. Insofern ist es denkbar diesen Vorgang als „tauschähnlich“ zu qualifizieren, sodass eine Umsatzsteuerpflicht bejaht werden könnte.
Hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage bestimmt § 10 Abs. 2 Satz 2 UStG, dass beim Tausch bzw. tauschähnlichen Umsätzen der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz gilt. Mit dem Angebot zur Zahlung eines Alternativpreises lässt sich annehmen, dass dieser Preis näherungsweise den Gegenwert der Daten widerspiegelt. Sofern man personenbezogene Daten grundsätzlich als Gegenleistung auch für das Steuerrecht qualifizieren würde und ein „Alternativpreis“ vorhanden ist, wäre eine Umsatzbesteuerung grundsätzlich denkbar und möglich.
Wertbeimessung personenbezogenere Daten ist nicht ohne Zweifel
Ob dies allerdings zielführend ist, steht auf einem anderen Blatt. Denn der „Alternativpreis“ bezieht sich im obigen Beispiel auf einen längeren Zeitraum als auf einen einmaligen Besuch. Insofern ist die Wertbeimessung personenbezogener Daten für einen einzelnen Besuch einer Website durch den Vergleich mit einem zeitraumbezogenen „Alternativpreis“ schief und nicht ohne Abschläge möglich.
Darüber hinaus funktioniert die näherungsweise Wertbeimessung über einen Alternativpreis nur dann, wenn auch tatsächlich die Zahlung eines Alternativpreises angeboten wird. Insbesondere bei der Nutzung einschlägiger Social-Media-Plattformen finden sich jedoch in der Regel kaum Angebote zur alternativen Zahlung eines Geldbetrages. Ob dies überhaupt mit dem datenschutzrechtlichen Freiwilligkeitsgrundsatz vereinbar ist, steht auf einem anderen Blatt (s. Bijok, ZfDR 2021, 75 [82 f.] m.w.N.).
Dies ist nicht nur bei Social-Media-Plattformen der Fall. Betrachtet man bspw. die Automobilindustrie finden sich ähnliche „Take-it-or-leave-it“-Modelle. So ist bspw. die Nutzung des Cloud-Services eines Automobilherstellers nur möglich und ohne weitere Kosten, sofern man der Übermittlung entsprechender Fahrzeugdaten zustimmt. Dort eine isolierte Wertdetermination von (personenbezogenen) (Fahrzeug-)Daten (bspw. für Zwecke der Bilanzierung) vorzunehmen, dürfte nur sehr schwer möglich sein.
Finanzverwaltung beobachtet die umsatzsteuerlichen Behandlung der Hingabe von Datennutzungsrechten
Beiträge von Mitgliedern der Finanzverwaltung im steuerlichen Schrifttum (vgl. bspw. Melan/Wecke, DStR 2017, 1072) zeigen die Relevanz solcher Fälle. Auch die Finanzverwaltung setzt daran an, die Hingabe von Datenverwertungsrechten gegen Leistungen als tauschähnlichen Umsatz zu qualifizieren. Demnach geht die Finanzverwaltung schon nach aktueller Rechtslage von einer Umsatzsteuerbarkeit solcher Geschäftsmodelle aus.
Damit verbunden sind gleichermaßen eine Vielzahl an offenen Fragen, wie bspw. der Entstehungszeitpunkt der Umsatzsteuer oder die Frage, ob nicht eine Unternehmereigenschaft der Nutzer grundsätzlich bejahen ist.
Streitfrage ist jedoch die Bewertung des „Umsatzes“, d.h. die Einräumung von Datennutzungsrechten. Nach neuerer Rechtsprechung des EuGH ergibt sich die Bemessungsgrundlage des Umsatzes nach den eigenen Aufwendungen des Leistungsempfängers für die Erlangung der Gegenleistung (s. EuGH v. 10.01.2019, C-410/17, Rs. A Oy, Rn. 38). Wenn jedoch eine Aufwendungen für die Erlangung einer Gegenleistung getätigt wurden, soll der gemeine Wert anzusetzen sein (so Abschn. 10.5 Abs. 1 UStAE). Damit stellt sich spätestens beim Fehlen eines Alternativpreises die Frage nach dem grundsätzlichen Wert der Daten bzw. ihres Nutzungsrechts.
Gleichwohl würden Unsicherheiten über den Wert der Gegenleistung nichts an der Existenz eines Leistungsaustauschs sowie einer damit verbundenen Umsatzsteuerbarkeit ändern.
Erster Schritt zur Anerkennung einer wirtschaftlichen Bedeutung personenbezogener Daten
Die im Entwurf vorliegenden Änderungen des BGB sind ein erster Schritt zur rechtlichen Anerkennung der wirtschaftlichen Bedeutung von personenbezogenen Daten. Diese Änderung ist daher grundsätzlich zu begrüßen, da es oftmals an einem Bewusstsein der Nutzer für den Wert seiner persönlichen Daten fehlt (s. auch Bijok, ZfDR 2021, 75 [96]).
Sofern personenbezogene Daten als Gegenleistung anerkannt werden, dürfte die Diskussion um Folgeänderungen in anderen Rechtsgebieten (insbesondere dem Steuerrecht) nicht lange auf sich warten lassen. Aktuelle Schriftbeiträge zeigen, dass die Finanzverwaltung dahingehend schon Vorstöße unternimmt. Jedoch sind insbesondere bei der Wertbeimessung von Daten noch ein tiefergehender Diskurs und auch weitere Forschungen in verschiedenen Disziplinen erforderlich.