Erweiterung der Transparenzpflicht – Nach DAC6 kommt DAC7

Am 22. März 2021 hat der Rat der EU eine Änderung der EU-Amtshilferichtlinie (DAC7) verabschiedet (s. Richtlinie (EU) 2021/514 v. 22. März 2021, ABl. L104/1). Der Fokus liegt auf der Einführung einer Mitteilungspflicht für Betreiber digitaler Plattformen. Dadurch sollen Steuerbetrug, Steuerhinterziehung und -umgehung innerhalb der EU effektiv entgegengewirkt werden. Außerdem soll die Richtlinie dem besseren automatisierten Informationsaustauch und der effektiveren Verwaltungszusammenarbeit dienen. In ihrer Gesamtheit sieht die Europäische Kommission die Ausweitung der Transparenzpflicht auch als ein Zeichen den Herausforderungen der digitalen Wirtschaft zu begegnen.

In meinem Blogbeitrag v. 12. März 2021 habe ich angeregt, dem Steuerpflichtigen etwas für seine übermittelnden Steuerdaten zurückzugeben. Überspitzt formuliert wurde gefordert, dass die Finanzverwaltung im Gegenzug an Transparenz zulegen müsse. Zumindest könnte die Staatengemeinschaft den Steuerpflichtigen für übermittelte Steuerdaten etwas zurückgeben. Doch ironischerweise ist auf EU-Ebene genau das Gegenteil zu beobachten: Nach DAC6 kommt DAC7. Aber der Reihe nach…

E-Commerce und digitale Wirtschaft als Treiber

Das Anbieten und die Vermittlung von Dienstleistungen erfolgen – nicht erst seit Beginn der Pandemie – zunehmend über digitale Plattformen (z.B. Amazon). Als würde dies nicht schon allein die Nachvollziehbarkeit genug einschränken, verschwimmen in der digitalen Welt zunehmend Landesgrenzen. Folge ist eine große Masse an Transaktionen und digitalen Dienstleistungsangeboten zwischen verschiedenen Jurisdiktionen. Daher überrascht es nicht, dass die Finanzbehörden kaum in der Lage sind, diese Masse an Datenströmen zu identifizieren oder gar nachzuvollziehen.

Die Nichtnachvollziehbarkeit von digitalen Wertschöpfungen und/oder der (digitalen) Dienstleistungserbringung ist kein neuartiges Phänomen. Die OECD versucht bereits seit mehreren Jahren mit verschiedenen Besteuerungskonzepten entsprechende Regeln für die digitale Wirtschaft umzusetzen. Jedoch waren diese Konzepte bislang nicht von Erfolg gekrönt.

Das Mittel der Wahl scheint jedoch vorerst – ggfs. in Zukunft flankierend – die Ausweitung einer Transparenzpflicht zu sein. Dies hatte sich bereits durch den von der EU-Kommission veröffentlichten Aktionsplan v. 15. Juli 2020 abgezeichnet (s. COM(2020) 312 final, S. 3). Durch eine erneute Änderung der EU-Amtshilferichtlinie werden Betreiber digitaler Plattformen einer eigenen Meldepflicht (DAC7) unterworfen (s. Art. 1 Nr. 8 der Richtlinie (EU) 2021/514 v. 22. März 2021, ABl. L104/1).

Was bedeutet die Meldepflicht für Betreiber digitaler Plattformen?

Wer ist meldepflichtig?

Von der neuen DAC7-Richtlinie erfasst sind „Betreiber digitaler Plattformen“. Unter dem Begriff „Betreiber digitaler Plattformen“ fällt die Bereitstellung einer digitalen Schnittstelle, über welche dort registrierte Unternehmen oder natürliche Personen (Verkäufer) ihre Leistungen potenziellen Kunden anbieten. In erster Linie trifft dies auf Plattformbetreiber zu, die ihren Sitz, den Ort der Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte innerhalb der EU haben.

Jedoch sind auch Plattformbetreiber mit einer Ansässigkeit in einem Drittstaat von der Meldepflicht erfasst, wenn die auf der Plattform agierenden Verkäufer in der EU ansässig sind. Die Meldepflicht greift auch dann, wenn über die Plattform in der EU belegenes unbewegliches Vermögen vermietet wird. Es ist aktuell unklar, wie weit die Definition des unbeweglichen Vermögens reicht. Diese Abgrenzung wird insbesondere dann schwierig, wenn es sich um die Vermietung von „virtuellem Land“ handelt. Also der Vermietung der virtuellen Abbildungen von tatsächlich existierenden Grundstücken über eine digitale Plattform (Computer-Spiel, s. zur Umsatzsteuerpflicht FG Köln v. 13. August 2019, veröffentlicht am 12. April 2021).

Der sachliche Anwendungsbereich ist nur dann eröffnet, wenn die auf der Plattform registrierten Verkäufer meldepflichtige Tätigkeiten ausüben. Dazu gehören die Vermietung von unbeweglichem Vermögen und Verkehrsmitteln, die Erbringung von Dienstleistungen sowie der Verkauf von Waren. Voraussetzung ist die Entgeltlichkeit der v.g. Tätigkeiten.

Sind Plattformbetreiber in einem Staat außerhalb der EU ansässig und besteht mit diesem Staat eine mit der DAC7-Richtlinie vergleichbare Vereinbarung über den Informationsaustausch, gilt die Meldepflicht nicht.

Sorgfaltspflicht

Bevor es zur eigentlichen Meldepflicht kommt, muss der Plattformbetreiber Informationen über die Verkäufer sammeln und diese überprüfen (Sorgfaltspflicht). Dazu gehören u.a. personenbezogene Daten des Verkäufers (s. dazu auch im Detail Wald/Bärsch v. 09. April 2021, Steuern & Recht – Der Blog). Wird unbewegliches Vermögen vermietet sind auch entsprechende Informationen über das Grundstück zu sammeln. Die gesammelten Informationen sind – soweit möglich – auf Richtigkeit und Verlässlichkeit zu prüfen. Eine Externalisierung dieser Sorgfaltspflicht auf einen Dritten ist möglich, letztendlich verbleibt die Verantwortung bei dem Plattformbetreiber.

Was ist letztendlich zu melden?

Plattformbetreiber haben dann sachbezogene Daten über die jeweiligen Verkäufer an die zuständige Behörde in dem entsprechenden Mitgliedstaat zu melden. Frist ist stets bis zum 31. Januar des Folgejahres. Zu den sachbezogenen Daten des Verkäufers gehören u.a. die Höhe der gezahlten oder gutgeschriebenen Vergütungen oder bei der Vermietung von unbeweglichem Vermögen, die entsprechende Anschrift der Immobilie sowie Vermietungszeiten. Die Verkäufer sind vom Plattformbetreiber zu informieren, dass die entsprechenden Daten und Informationen erhoben und an die Behörden weitergeleitet wurden.

Neben den sachbezogenen Verkäuferdaten erfasst die Mitteilungspflicht des Plattformbetreibers auch die eigenen „steuerlichen Stammdaten“ (Name, Anschrift, Sitz, Steuer-ID). Die Meldung erfolgt ausschließlich in dem EU-Mitgliedstaat, in dem der Plattformbetreiber seinen Sitz hat bzw. seine Betriebsstätte steuerlich registriert ist.

Automatischer Austausch der gemeldeten Daten zwischen den Finanzbehörden

Die von den jeweiligen Finanzbehörden der Mitgliedstaaten erhaltenen Meldungen der Betreiber von digitalen Plattformen sind innerhalb von zwei Monaten nach Ablauf des Meldezeitraums, d.h. zwischen Februar und März des jeweiligen Folgejahres, an die anderen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten weiterzuleiten. Insofern besteht ein automatisierter Datenaustausch innerhalb der EU.

Frist zur Umsetzung in nationales Recht bis Ende 2022

Zeitlich betrachtet dürfte die Umsetzung der DAC7-Richtlinie in nationales Recht nicht lange auf sich warten lassen. Denn nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Nr. 8 der Richtlinie (EU) 2021/514 v. 22. März 2021, ABl. L104/1) haben die Mitgliedstaaten die Vorschriften der Richtlinie bis zum 31. Dezember 2022 umzusetzen. Diese Vorschriften sollen ab dem 1. Januar 2023 erstmals angewendet werden.

Zu erwartende Implikationen für die Steuerpflichtigen

Die Ausweitung der Transparenzpflicht dürfte für die Steuerpflichtigen unmittelbaren (vermutlich kostenintensiven) Aufwand bedeuten, sofern sie als Betreiber einer solchen Plattform zu qualifizieren sind. Denn bereits die Meldepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen (DAC6) hat gezeigt, dass die Umsetzung von Meldepflichten mit enormen Aufwand und Kosten behaftet sind. Dies betrifft insbesondere die Etablierung von Unternehmensprozessen zur Erfüllung der gesetzlichen Meldepflicht. Vermutlich wird sich die eigentliche Meldung mit noch zu entwickelnden IT-Lösungen vereinfachen lassen. Bis zum finalen Rollout einer Softwarelösung ist es jedoch ein langer Weg. Denn die Entwicklung (inkl. Tests) benötigt entsprechenden zeitlichen Vorlauf. Nicht zu vergessen ist auch die Schaffung von organisatorischen Verantwortlichkeiten und die Schulung der Mitarbeiter.

Zusätzlich ist zu erwarten, dass die neuen Transparenzvorschriften in nicht unerheblichem Maße personelle Ressourcen binden. Denn die Erfüllung der Sorgfaltspflicht ist der eigentlichen Meldung vorgelagert. Die Sammlung und Überprüfung der personenbezogenen Daten der Verkäufer dürfte für die Plattformbetreiber eine über die Implementierung einer neuen Softwarelösung hinausgehende Herausforderung sein. Da die DAC7-Richtlinie die Möglichkeit eröffnet die Überprüfung zu Externalisieren, scheint der Einbezug von externen Dienstleistern in die Überprüfung dieser personenbezogenen Daten wahrscheinlich.

Insgesamt führt die kommende Transparenzpflicht durch die DAC7-Richtlinie für die Steuerpflichtigen einmal mehr zu zusätzlichen Anforderungen, um eine vollständig steuerliche Compliance zu gewährleisten.

Gegenteil von Transparenz der Finanzverwaltung

Die zu erwartende Mitteilungspflicht bedeutet im Endeffekt, dass sich der steuerliche Datenpool der Finanzbehörden der Mitgliedstaaten weiter vergrößert. Insoweit führt die geplante Mitteilungspflicht und die damit weiterhin ansteigende Datenmasse auf Ebene der Finanzverwaltung zu einer weiteren Verschiebung des Machtverhältnisses (in Bezug auf Daten) zugunsten des Staates. Damit legt die Finanzverwaltung eben nicht an Transparenz zu, sondern erhöht einmal mehr die Menge an Datenlieferungen durch die Steuerpflichtigen.

Ein Blick in die Zukunft verspricht, dass sich dieses Machtverhältnis weiter in Richtung Staat verschiebt. Denn die EU-Kommission plant jetzt schon die Ausweitung der EU-Amtshilferichtline auf Kryptoanlagen sowie digitales Geld (DAC8).

Somit zeichnet sich jetzt schon ab: Nach DAC7 kommt DAC8…