Bundesweite Cloud-Plattform der Finanzverwaltung in Sichtweite?

Cloud-Plattformen im Bereich der Steuern

Unternehmen setzen Internet-Plattformen schon lange ein, um mit ihren Kunden auf dem Onlineweg verbunden zu sein. Zudem werden verstärkt die Vorteile der Cloud als Speicherplatz für wachsende Datenmengen wahrgenommen. Darüber hinaus liefert die Cloud die Möglichkeit neben der Verbindung von unternehmensinternen Online-Plattformen, auch eine externe Vernetzung mit bspw. den Plattformen der Lieferanten und Kunden des Unternehmens herzustellen. Das ermöglicht eine Digitalisierung und Vernetzung von End-to-End-Geschäftsprozessen und erstreckt sich zunehmend auf die steuerlichen Prozesse. Die Möglichkeiten zur Speicherung und Verarbeitung von Big Data in Cloud-Plattformen sowie die Vernetzung von Online-Plattformen über die Cloud bietet sowohl die Chance für einen Wandel in steuerlichen Geschäftsprozessen des Steuerpflichtigen als auch in dem Besteuerungsverfahren. Für den Steuerpflichtigen können Besteuerungsplattformen zu einem qualitativ hochwertigen Datenmanagement, einem verbesserten Kontrollumfeld und daraus resultierend einem geringeren Steuerrisiko führen. Besteht die Möglichkeit zur Vernetzung der Online-Plattformen über die Cloud durch entsprechende IT-Schnittstellen, kann ein digitaler, bidirektionaler, transaktionaler sowie medienbruchfreier Datenaustausch mit externen Partnern des Steuerpflichtigen und auch mit der Finanzverwaltung stattfinden. Für den besonders datenabhängigen Bereich der Steuern ist es demnach höchste Zeit, sich dem Trend zur Cloud und zur Nutzung von Cloud-Plattformen anzuschließen.

Ausgangssituation – was ist bereits im Einsatz?

Das Land Hessen hat den Anfang gemacht und bietet mit der Austauschplattform „HessenDrive“ einen neuen Weg für den unkomplizierten und dennoch sicheren Austausch von Dateien. Diese Plattform kann sowohl von landesinternen Nutzern (z.B. Dienststellen des Landes Hessen und Unternehmen, die mit der Hessischen Landesverwaltung zusammenarbeiten) als auch von externen Partnern (z.B. Organisationen außerhalb der Hessischen Landesverwaltung, die entweder der öffentlichen Verwaltung zugeordnet oder öffentlich-rechtliche Einrichtungen sind und mit diesen Organisationen zusammenarbeitende Unternehmen) verwendet werden. Die Dateien werden zentral in einer Private-Cloud eines Rechenzentrums der Hessischen Landesverwaltung gespeichert. Die Übertragung der Dateien findet stets verschlüsselt statt und die Bereitstellung erfolgt auf allen Endgeräten des Nutzers online und synchron. Diese Implementierung von Cloud Technologien in die Verwaltungsstruktur ermöglicht bspw. auf der Betriebsprüfungsebene einen wesentlich vereinfachteren Datenaustausch. Inwiefern diese oder ähnliche Plattformen bald auch in weiteren Bundesländern zum Standard für den Austausch von Dateien werden oder man sogar auf eine bundesweite Lösung hoffen darf, wird sich noch zeigen.

Während es auf Bundesebene bislang nur ELSTER als „Elektronisches Finanzamt“ und als Online-Portal (z.B. für CbCR- oder DAC6-Reporting) für Steuererklärungen gibt, wurde zu Beginn dieses Jahres vom IT-Planungsrat die Entscheidung gefällt, dass basierend auf ELSTER eine integrierte Online-Plattform entwickelt werden soll. Auch wenn Steuern und Abgaben in dem Unternehmensportal („Mein UP“) eine zentrale Rolle spielen sollen, ist das Ziel der Plattform, möglichst alle Verwaltungsangelegenheiten von Unternehmen zu bündeln. Es soll ein schnellerer und einfacherer Austausch zwischen Behörden und Unternehmen ermöglicht werden. Da das Unternehmensportal auf ELSTER aufbaut, dürfte die Anwendung für alle Unternehmen problemlos möglich sein. Bei der Entwicklung der Online-Plattform orientiert sich die Finanzverwaltung auch an dem Modell „FinanzOnline“ aus Österreich. FinanzOnline ist in der Lage das ganze Besteuerungsverfahren abzuwickeln: angefangen bei der Stammdatenpflege des Steuerpflichtigen, über die Erstellung und Übermittlung der Steuererklärung, bis hin zur Erzeugung oder Erstellung des Verwaltungsaktes.

Auch für den Steuerpflichtigen selbst gibt es bereits erste Modelle von Besteuerungsplattformen die von verschiedenen IT-Anbietern sowie größeren Steuerberatungsgesellschaften entwickelt wurden.

Herausforderungen und Potenzial

Damit Cloud-Plattformen in der Unternehmenssteuerabteilung und im Besteuerungssystem einen nachhaltigen Mehrwert liefern und auch in Zukunft bestehen können, müssen einige Anforderungen an Online-Plattformen erfüllt werden, die aus der Plattform-Ökonomie abgeleitet werden können. Dazu gehören beispielsweise die Bereitstellung von Single Source of Truth Daten, die Speicherung von (un)strukturierten Daten in einem Data Lake,  das Vorhandensein von Algorithmen, damit eine vollständige Durchsuchung der Plattform möglich ist, sowie offene IT-Schnittstellen, die eine technische Vernetzung und einen Datenaustausch mit anderen Plattformen ermöglichen (hierzu s. ausführlich den Beitrag von Kowallik in Der Betrieb 34/2020, S. 1760).

Bezogen auf das Unternehmensportal „MeinUP“ lässt sich demnach ableiten, dass eine potenzielle Vernetzung über die Cloud mit relevanten externen Online-Plattformen (z.B. von Steuerpflichtigen, Behörden, Beratern, …) von zentraler Bedeutung ist. Zurzeit sieht die Planung der Plattform diesen hohen Integrationsgrad nicht vor. Zudem kritisiert Kowallik (a.a.O.), dass ELSTER und Mein UP voraussichtlich nebeneinander existieren werden, was im Vergleich zu der komplett integrierten FinanzOnline Plattform aus Österreich durchaus eine Schwäche darstellt. Auch die Ansätze der IT-Anbieter oder der Big 4 erfüllen bisher nicht alle Anforderungen der Plattform-Ökonomie. Hinzu kommt, dass in den meisten Steuerabteilungen die technischen und fachlichen Grundlagen zur Nutzung einer hochintegrierten Online-Plattform noch fehlen.

Zum jetzigen Zeitpunkt scheint das volle Potenzial von Cloud-Plattformen in der Steuerpraxis noch nicht realisierbar zu sein. Bis es soweit ist, sollten sich die ersten Plattform-Lösungen wie HessenDrive allerdings keinesfalls verstecken. Diese Austauschplattform liefert bereits einen Mehrwert zur Optimierung des Besteuerungsprozesses/-verfahrens.

Entwicklung im KONSENS-Umfeld

KONSENS steht für das Vorhaben, die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei der Digitalisierung der Steuerverwaltung voranzutreiben und auf ein gemeinsames Softwareportfolio für alle Länder hinzuarbeiten. Bislang existieren nur vereinzelte Lösungen im Bereich von Cloud-Plattformen in der deutschen Finanzverwaltung. Ein Vorzeigeprojekt im Hinblick auf die Nutzung einer Cloud-Plattform ist HessenDrive. Der große Nutzen dieser Technologie wird nicht zuletzt aufgrund der Corona-Pandemie deutlich. Ein möglicher Verzögerungspunkt bei der Entwicklung solcher Cloud-Systeme können insbesondere Themen der Datensicherheit sein, da diese für die Steuerverwaltung oberste Priorität haben.

Es gibt allerdings bereits IT-Projekte, die eine Digitalisierung der Finanzverwaltung in naher Zukunft vorantreiben sollen. Dazu gehört beispielsweise „NACHDIGAL“, womit die Finanzverwaltung eine elektronische Übermittlung von Belegen ermöglichen möchte. Nach 2022 soll es dann durch das IT-Projekt „RABE“ möglich sein, eine Steuererklärung mit referenzierten Belegen an die Finanzverwaltung zu übermitteln. Geplant ist, dass der Steuerberater die zu der Steuererklärung dazugehörende Belege in einer Online-Plattform ablegt, die sich allerdings noch in der Sphäre des Beraters befindet (§ 173 AO tritt noch nicht ein). Nur bei Bedarf werden diese Belege von einem Sachbearbeiter der Finanzverwaltung aufgerufen. Diese IT-Projekte sollen die elektronische Kommunikation zwischen Steuerpflichtigen/Steuerberatern und der Finanzverwaltung zukünftig verbessern und ausbauen.

Wie schätzt Bernhard Liekenbrock das Potenzial von Cloud-Plattformen im Bereich der Steuern ein?

Zum Thema Cloud-Plattformen habe ich Bernhard Liekenbrock befragt. Er hält HessenDrive für einen Meilenstein, der insbesondere im Rahmen von Betriebsprüfungen eine große Hilfe sein kann, wodurch der Datenaustausch zwischen Steuerpflichtigen und Betriebsprüfern erleichtert wird. Es kann für beide Seiten nur von Vorteil sein, wenn in der Zukunft Massendaten in der Betriebsprüfung nicht mehr aufwendig extrahiert und auf Festplatten gespeichert werden müssen, sondern der Steuerpflichtige diese per Dateiupload über die Plattform zur Verfügung stellen kann.