X-PIDER – Erfahrungen mit dem Web-Roboter der Finanzverwaltung

Was ist X-PIDER?

X-PIDER ist ein deutscher Webcrawler, der von der deutschen Finanzverwaltung seit 2003 als elektronisches Ermittlungsinstrument im Bereich des E-Commerce verwendet wird. X-PIDER wird eingesetzt, um Informationen im Internet automationsgestützt zu sammeln (z.B. USt-ID-Angaben von Händlern auf Internet-Plattformen wie bspw. eBay, AutoScout24), die zur Identifizierung von steuerbaren Sachverhalten genutzt werden können (z.B. Feststellung der umsatzsteuerlichen Unternehmereigenschaft). Ein vergleichbarer Webcrawler mit dem Namen Xenon kommt in Österreich, den Niederlanden, Dänemark, dem Vereinigten Königreich und Kanada zur Anwendung (hierzu s. ausführlich den Beitrag von Müller in beck.digitax 4/2020, S. 247).

Genaue Informationen über die Funktionsweise und Wirksamkeit von X-PIDER werden von der Finanzverwaltung weitestgehend zurückgehalten. Es ist allerdings davon auszugehen, dass dieser spezielle Webcrawler ähnlich funktioniert wie „handelsübliche“ Webcrawler, die automationsgestützt Webseiten durchforsten, Webinhalte speichern und indexieren sowie weiterführende Links „tracken“. Unklar ist, ob X-PIDER wie andere Webcrawler nur auf öffentliche Webseiten zugreifen kann oder auch darüber hinaus den Zugriff auf geschützte Inhalte ermöglicht. Im Bereich der Umsatzsteuer-Betrugsbekämpfung ist bekannt, dass X-PIDER angetroffene Dokumente dahingehend analysiert, inwieweit diese im umsatzsteuerlichen Sinne einer unternehmerischen Tätigkeit zugeordnet werden können. Zudem soll X-PIDER lernfähig und in der Lage sein, Querverbindungen von Webseiten, Schnittstellen und Datenbanken der Finanzverwaltung herzustellen. Dadurch wird die Möglichkeit für weiterführende zielgerichtete Ermittlungshandlungen eröffnet.

Wie effektiv ist X-PIDER?

Der Bundesrechnungshof war von der Wirkungskraft des Webcrwalers seinerzeit nicht überzeugt (s. Link, S. 206 f.). Auch Müller (a.a.O.) ist skeptisch, weil er davon ausgeht, dass X-PIDER nur frei zugängliche Webseiten durchforstet, während gesperrte Webseiten sowie das Darknet und Deep-Web außenvor blieben. Seiner Meinung nach wäre es für eine effektive Prüfung der umsatzsteuerlichen Transaktionen von Relevanz, dass auch Zahlungsdaten und weitere Transaktionsdaten erhoben werden. In diesem Zusammenhang verweist er auf die Entwicklungen auf EU-Ebene, die auf einen Ausbau der Ermittlungskapazitäten im E-Commerce hinwirken. Es sollen auf einem zentralen Server Zahlungsdaten ausgewertet und gespeichert werden, um sie zur Betrugsbekämpfung in den Mitgliedsstaaten einsetzen zu können. Bis zum 31.12.2023 muss der deutsche Gesetzgeber die von der EU vorgesehenen Vorgaben in deutsches Recht umgesetzt haben und ab dem 01.01.2024 müssen die Reglungen angewendet werden (s. RL (EU) 2020/284 des Rates vom 18.02.2020).

Wie sieht das Gregor Danielmeyer?

Anlässlich der aufgeflammten Debatte über X-PIDER habe ich unseren „Insider“ und Blogger Gregor Danielmeyer gefragt, was er von X-PIDER hält. Danielmeyer bestätigt, dass X-PIDER ein lernfähiges Tool ist und verweist auf die programmtechnische Anpassungsfähigkeit des Webcrawlers bezüglich der Suchaufträge sowie Auswertungsergebnisse (bspw. Suche nach USt-ID-Angaben oder auch nach Produktgruppen). Laut Danielmeyer wird X-PIDER überwiegend in elektronischen Marktplätzen eingesetzt, wo durch regelmäßige Rechenläufe Steuervermeidungsstrategien identifiziert und beendet werden sollen. Allerdings sei damit der Einsatzbereich von X-PIDER weitestgehend erschöpft. Zur Bekämpfung von Steuervermeidungsstrategien bei größeren Plattformanbietern, die teils spezielle Algorithmen zur Blockierung von Datenabfragen von Webcrawlern verwenden, eigne sich X-PIDER weniger. In diesem „privaten“ Bereich des Internets erweisen sich Sammelauskunftsersuchen (§ 208 AO) bei den entsprechenden Online-Anbietern als wirkungsvoller. So hat z.B. die Finanzbehörde Hamburg kürzlich auf sich aufmerksam gemacht und die Herausgabe von Kontrolldaten eines weltweit agierenden Vermittlungsportales für Buchung und Vermittlung von Unterkünften an die Hamburger Steuerfahndung gemeldet (s. Link).

Danielmeyer bestätigt damit in der Summe die Einschätzung von Müller im o.g. Zeitschriftenbeitrag. Er sieht großes Potenzial in der geplanten Umsetzung des EU-Rechts.  Ein flächendeckendes digitales „Profiling“ von Steuerpflichtigen würde hierdurch ermöglicht. Bis zur Umsetzung der Richtlinie scheinen wohl eher die neuen Strategien der Finanzverwaltung zur Auswertung von Elster-, Lohnschnittstellen- und E-Bilanzdaten geeignet zu sein, um Profile zu erstellen und modernes Risikomanagement zu betreiben. Hiermit werden wir uns in einem der nächsten Blogbeiträge befassen.