Kommt nun doch der allgemeine Datenstandard im Jahressteuergesetz 2020?

Hin und Her im Gesetzgebungsverfahren

Der Referentenentwurf eines JStG 2020 sah die Einführung eines § 147b AO-E vor. Nach dessen Wortlaut hätte das Bundesfinanzministerium (BMF) per Rechtsverordnung einheitliche digitale Schnittstellen, Datensatzbeschreibungen für den standardisierten Export sowie die Speicherung von aufbewahrungspflichtigen Daten vorgeben können (Art. 21 Nr. 14 des Referentenentwurfs eines JStG 2020).

Die verschiedenen Verbände haben in ihren Stellungnahmen zum JStG 2020 die Einführung des § 147b AO-E zu Recht stark kritisiert (s.u. die Links zu den Stellungnahmen). Insbesondere ging aus den Gesetzesmaterialien nicht hervor, wie weit die Vorgaben der Finanzverwaltung reichen sollten. Es besteht die Gefahr, dass mit solchen Vorgaben der Finanzverwaltung massive Implikationen auf bestehende Systemlandschaften des Steuerpflichtigen einhergehen. In der Konsequenz wurde § 147b AO-E aus dem Regierungsentwurf eines JStG 2020 gestrichen.

In ihren Empfehlungen an den Bundesrat zu dem Entwurf eines JStG 2020 haben sich der Finanzausschuss und die weiteren Ausschüsse dafür ausgesprochen, die gesetzgeberische Umsetzung einer Verordnungsermächtigung zur Regelung von standardisierten Schnittstellen, Datensatzbeschreibungen und Datenspeicherung (§ 147b AO-E) in dem JStG 2020 wieder mit aufzunehmen (BR-Drs. 503/1/20, S. 158 f.).

Zunehmende Bedeutung steuerlicher Daten für Betriebsprüfungen

Die Finanzverwaltung hat längst den Wert der finanzrelevanten Daten des Steuerpflichtigen erkannt und baut seit Jahren insbesondere durch Elster-, E-Bilanz- oder CbCR-Daten einen eigenen Tax-Data-Hub auf.

Die Daten des Steuerpflichtigen sind auch eine wichtige Grundlage für die – zunehmend digitalisierte – Betriebsprüfung. Besondere Bedeutung erhält die Extraktion steuerlicher Daten (sog. Z3-Zugriff), welche auch zusätzlich zu anderen Formen des Datenzugriffs angeordnet werden kann (s. GoBD, Rz. 164). Neben der Eingrenzung von Prüfungsfeldern als Vorbereitung der Betriebsprüfung, können die im Wege des Datenzugriffs erhaltenen Daten des Steuerpflichtigen auch im Rahmen von neuen Prüfungsmethoden verwendet werden, um Betriebsprüfungen effizienter auszugestalten. Insbesondere können auf Basis der Daten des Steuerpflichtigen Fehleranalysen durchgeführt werden. Fehlerhafte Daten des Steuerpflichtigen können Basis für eine Hinzuschätzung durch die Betriebsprüfung sein, was in der Literatur und in der Rechtsprechung auf starke Kritik stößt (vgl. z.B. zur Quantilschätzung FG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 24.8.2016, 5 V 5089/16, DStRE 2017, 885, rkr.).

Ziel der Finanzverwaltung durch § 147b AO-E

Reduktion des Verwaltungsaufwandes

Die Finanzverwaltung will durch die Vorgabe von Daten- und Schnittstellenstandards Prüfungsabläufe vereinfachen und beschleunigen. Ein solches Regelungsziel lag bereits der Einführung der digitalen Lohnschnittstelle (§ 41 Abs. 1 Satz 7 Hs. 2 EStG) zugrunde. Insb. sollten durch die Einführung der digitalen Lohnschnittstelle technische Probleme der Finanzverwaltung beim Datenzugriff auf steuerliche Lohndaten beseitigt und Lohnsteuer-Außenprüfungen vereinfacht werden (siehe BT-Drs. 18/7457, S. 101).

Die Finanzverwaltung strebt einen Datenstandard für steuerrelevante Daten an, damit diese standardisierten Datensätze schneller in die Prüfsoftware der Finanzverwaltung eingelesen werden können. Somit kann auch der Verwaltungsaufwand reduziert werden (so auch der Finanzausschuss des Bundesrates (BR-Drs. 503/1/20, S. 159). Darüber hinaus kann ein einheitlicher Datenstandard auch zu effizienteren Betriebsprüfungen führen, weil durch einen allgemeinen Datenstandard eine plattform- und implementationsunabhängige Weiterverarbeitung erfolgen kann.

Einheitlicher Datenstandard & gleichmäßige Besteuerung

Der Finanzausschuss führt aus, dass dem Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung auch durch die Einführung des § 147b AO-E Rechnung getragen wird. Der verfassungsrechtliche Gleichmäßigkeitsgrundsatz fordert von der Finanzverwaltung und den Finanzgerichten eine einheitliche Rechtsanwendung (Rechtsanwendungsgleichheit). Die v.g. Begründung kann daher nur so verstanden werden, als dass die Finanzverwaltung durch einheitliche Datenstandards und Schnittstellen, Fehler besser erkennen kann und somit eine bessere Rechtsanwendungsgleichheit sicherstellen kann.

Konkretisierungen der geplanten Regelung dringend notwendig

Ein weiterer Begründungspunkt des Finanzausschusses sieht vor, dass mit einem einheitlichen Datenstandard klargestellt wird, welche Daten steuerlich relevant sind. In der Praxis ist es oft nicht klar, wie weit das Verständnis der steuerrelevanten Daten geht, sodass es z.T. zu intensiven Diskussionen kommt (z.B. hinsichtlich der Steuerrelevanz von E-Mails).

Der aktuelle Entwurf des § 147b AO-E führt allerdings per se nicht zu einer Beseitigung von Unklarheiten hinsichtlich der Steuerrelevanz von Daten. An dieser Stelle muss der Gesetzgeber dringend nachbessern und seine Anforderungen dahingehend konkretisieren, für welche Daten der einheitliche Datenstandard gelten soll. Darüber hinaus sollten auch die steuerrelevanten Systeme abgegrenzt werden, in denen der Datenstandard umzusetzen ist.

Eine vergleichbare Konkretisierung sieht auch das „Standard Audit File for Tax“ (SAF-T) vor. Dabei handelt es sich um einen von der OECD entwickelten einheitlichen Datenstandard für Betriebsprüfungen, den andere europäische Staaten (z.B. Österreich) bereits umgesetzt haben. Der Grundgedanke des SAF-T entspricht daher im Kern auch der Idee des § 147b AO-E. SAF-T schreibt vor, welche Daten von welchen Systemen an die Finanzverwaltung übermittelt werden sollen. Das österreichische BMF hat ein SAF-T-Handbuch mit den entsprechenden Anforderungen an das Datenformat SAF-T veröffentlicht und benennt dabei wesentliche Daten der Buchhaltungssysteme, die übermittelt werden sollen (z.B. Kunden- und Lieferantenstammdaten, Daten von Eingangs- und Ausgangsrechnungen, Hauptbuchungen etc.). Eine solche Konkretisierung ist auch von dem deutschen Gesetzgeber zu fordern – und zwar mit entsprechendem zeitlichen Vorlauf.

Weiteres Gesetzgebungsverfahren – Spannung steigt

Es ist nicht gesichert, dass bereits im JStG 2020 eine gesetzliche Vereinheitlichung von Schnittstellen und Datensätzen umgesetzt wird. Als nächstes wird der Bundesrat am 9. Oktober 2020 seine Empfehlungen verabschieden. Im Anschluss daran muss die Bundesregierung allerdings auch die Empfehlungen umsetzen. Ob es jetzt bereits zu einer Entscheidung pro § 147b AO-E kommt, bleibt abzuwarten. Da die Bundesregierung in ihrem Regierungsentwurf § 147b AO-E aus dem Referentenentwurf nicht übernommen hat, ist es nicht sicher, dass § 147b AO-E den Weg in das finale JStG 2020 finden wird.

Ausblick

Ungeachtet dessen ist auf lange Sicht eine Einführung von § 147b AO-E zu erwarten. Wie die Vorschrift letztendlich ausgestaltet werden soll, ist noch unklar. Dabei ist der Gesetzgeber gefordert, hinreichend zu konkretisieren für welche Daten und Systeme der neue Datenstandard gelten soll.

Wünschenswert wäre es, wenn die Finanzverwaltung – ähnlich wie bei der digitalen Lohnschnittstelle – die Steuerpflichtigen und auch Softwareanbieter möglichst früh mit einbezieht. Darüber hinaus sollte den Steuerpflichtigen genug Zeit gegeben werden, die entsprechenden Standards und Schnittstellen zu implementieren.

Bis es schlussendlich zu einer gesetzlichen Vereinheitlichung von Datenstandards kommt, ist den Steuerpflichtigen zu empfehlen, bereits so früh wie möglich die eingesetzten Systeme und gelebten Datenverarbeitungsprozesse zu verbessern. Ziel muss es sein, dass bereits heute der Finanzverwaltung eine möglichst hohe Datenqualität zur Verfügung gestellt werden kann. Dies reduziert nicht nur nachhaltig den Verwaltungsaufwand in Vorbereitung einer Betriebsprüfung, sondern verkürzt auch in der Regel deren Dauer.