Überzeugt der neue Argumentationsansatz zur Begründung einer Steuerabzugspflicht?
Unternehmen machen zunehmend Gebrauch von den verschiedenen Möglichkeiten der Online-Werbung. In Deutschland wurde allein in 2017 insgesamt 6,6 Milliarden Euro in Online-Werbung investiert. Dabei sitzen viele der großen Online-Werbeanbieter wie Google und Facebook im Ausland. Entsprechend hoch ist das Interesse des Fiskus, Einkünfte eines im Ausland ansässigen Anbieters von Online-Werbeleistungen dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG zu unterwerfen. Die Annahme einer Verpflichtung zum Steuerabzug hätte weitreichende Folgen. Deutsche Werbekunden müssten nicht nur bei Portalbetreibern wie Google an eine Quellensteuerpflicht denken, sondern auch bei Werbeleistungen durch Influencer oder etwa vorinstallierte Apps auf Endprodukten (z.B. Fernsehern). Einschlägige Literaturbeiträge zeigen einen neuen Argumentationsansatz von Seiten der Finanzverwaltung, wonach in Fällen der Online-Werbung grundsätzlich eine Verpflichtung des deutschen Werbekunden zum Steuerabzug bestehen soll (vgl. Hruschka, DStR 2019, 88). In Betriebsprüfungen werden diese Fälle bereits aufgegriffen.
Die Frage ist insbesondere deswegen von hoher Relevanz für die Praxis, da Werbekunden aufgrund sog. „Nettoklauseln“ durch die ausländischen Werbeanbieter regelmäßig verpflichtet werden, eventuell abzuführende Quellensteuern zusätzlich zum vereinbarten Kaufpreis aus eigenen Mitteln zu tragen. Übernimmt der Vergütungsschuldner die Abzugssteuer im Rahmen einer solchen Nettovereinbarung, erhöht sich die Bemessungsgrundlage noch um den Steuerbetrag. Schuldet der Werbekunde nach den vertraglichen Vereinbarungen bspw. 100.000 EURO zzgl. eines ggf. zu leistenden Steuerabzugsbetrags von 15,825% (Steuersatz 15% + 5,5% Soli), dann würde sich die Bemessungsgrundlage auf insgesamt 118.800 Euro belaufen (vgl. H 50a.2 EStH). Der Werbekunde hätte dann nicht 15.825 Euro sondern 18.800 Euro an das BZSt abzuführen. Eine anschließende Erstattung der Quellensteuer scheitert in diesen Fällen oft an der mangelnden Mitwirkung des ausländischen Anbieters von Online-Werbeleistungen. Da in der Praxis von deutschen Online-Werbekunden in der Regel kein Steuerabzug vorgenommen wurde, könnte dieser Ansatz der Finanzverwaltung zu hohen Nachforderungen in Betriebsprüfungen führen.
Inwieweit sich die Argumentation der Finanzverwaltung mit dem geltenden Recht vereinbaren lässt, erscheint fraglich. Fest steht jedoch, dass Betriebsprüfer der Frage nach dem Bestehen einer Abzugspflicht künftig besondere Aufmerksamkeit widmen werden. Aufgrund der vielfältigen Erscheinungsformen von Online-Werbeleistungen bedarf die Prüfung einer Steuerabzugspflicht dabei einer tiefgehenden Auseinandersetzung mit den vorgebrachten Argumenten der Finanzverwaltung unter Berücksichtigung etwaiger Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls. Dabei können besondere Formen der Werbeleistungen, wie sie z.B. von YouTubern, Influencern oder Werbemittlern erbracht werden, genauer zu betrachten sein.
Eine Verpflichtung zum Steuerabzug des deutschen Werbekunden würde voraussetzen, dass der Anbieter von Online-Werbeleistungen beschränkt steuerpflichtige Einkünfte nach den §§ 1 Abs. 4, 49 EStG bezieht und diese Einkünfte gem. § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG dem Steuerabzug unterliegen.
Keine Know-how-Überlassung
Eine beschränkte Steuerpflicht soll nach Auffassung von Vertretern aus der Finanzverwaltung aus einer Überlassung von Know-How gem. § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG folgen. Eine solche liege vor, weil dem Werbenden vom Anbieter der Online-Werbeleistungen dessen Algorithmus zur gezielten Schaltung von Werbung überlassen werde. U.E. bestehen gute Gründe die Annahme einer Überlassung von Know-how in Frage zu stellen, berücksichtigt man, dass dem Werbenden regelmäßig kein hinter dem Algorithmus stehendes technisches Wissen des Anbieters in Form eines Quell-Codes oder Vergleichbarem überlassen wird. Der Werbekunde erhält gerade kein Know-how, damit dieser selbst Online-Werbung schalten kann, vielmehr nutzt der Werbeanbieter sein eigenes Know-how, um Online-Werbung für den Werbekunden zu schalten.
Rechteüberlassung i.S.d. §§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 1, 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG bei Online-Werbeverträgen?
In Fällen der Online-Werbung wäre hingegen die Annahme einer beschränkten Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 1 EStG aufgrund der Verwertung eines überlassenen Rechts in einer inländischen Betriebsstätte oder sonstigen Einrichtung des deutschen Werbekunden denkbar. In der Praxis liegen regelmäßig entsprechende betriebsstättenlose Einkünfte ausländischer Kapitalgesellschaften vor, die kraft Rechtsform als gewerbliche Einkünfte qualifiziert werden. Sobald Online-Werbeleistungen bspw. durch ein deutsches Headquarter eingekauft werden, könnte dem Grunde nach eine beschränkte Steuerpflicht des ausländischen Werbeanbieters begründet werden.
Sowohl die beschränkte Steuerpflicht als auch die Verpflichtung zum Steuerabzug würde voraussetzen, dass Einkünfte vorliegen, welche aus einer Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung eines Rechts i.S.d. §§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 1, 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG erzielt wurden. Der Anwendungsbereich wird in der Praxis der Finanzverwaltung zunehmend extensiv ausgelegt. Nach diesem Verständnis sollen neben den rechtlich besonders geschützten Urheberrechten oder gewerblichen Rechten auch einfache schuldrechtliche Gestattungen im Zweiparteienverhältnis vom Wortlaut erfasst sein. Als Beispiel für erfasste relative Rechte werden hier insbesondere Verträge über die Erbringung von Werbeleistungen, die die „Einräumung bzw. Nutzungsüberlassung“ eines Werberechts beinhalten sollen, aufgezählt.
Die Nutzungsüberlassung ist dabei von den tatbestandlich nicht erfassten Dienstleistungen abzugrenzen. Grundlage der Diskussion bzgl. der Abgrenzung zwischen Dienstleistung und Nutzungsüberlassung in Bezug auf Werbeleistungen ist ein Urteil BGH vom 26.01.1994 (XII ZR 93/92), bei der einem Werbenden ein „exklusives Werberecht“ für die Werbung auf einem Golfplatz eingeräumt wurde. Gleichzeitig verpflichtete sich der Betreiber des Golfplatzes dazu zum Zwecke der Werbung Werbetafeln aufzustellen. Nach Auffassung des BGH wurde in diesem Fall kein Werkvertrag, sondern ein Rechtspachtvertrag abgeschlossen, da die Hauptleistung in einer Rechteüberlassung liegt.
Von Seiten der Finanzverwaltung wird argumentiert, dass auch bei Online-Werbeverträgen die Hauptleistung in einer Rechtüberlassung bestehe. Eine Rechteüberlassung läge in Bezug auf den zur Erbringung der Online-Werbeleistungen genutzten Algorithmus vor. Dienstleistungselemente enthalte ein Online-Werbevertrag nicht, da Dienstleistungen nicht maschinell durch den Einsatz von Algorithmen erbracht werden können, sondern nur persönlich. Dies folge aus einer gebotenen steuerspezifischen Auslegung der Begriffe „Nutzung“ und „Leistung“, welche aus der Differenzierung in § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG zur Qualifikation von steuerlichen Entnahmen folge.
Die Finanzverwaltung versucht mit ihrem neuen Argumentationsansatz die extensive Auslegung der von den §§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 1, 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG erfassten Rechte weiter auszubauen. Zutreffend ist zwar, dass eine maschinell erbrachte betriebliche Leistung keine Leistungsentnahme darstellen kann, da es diesbezüglich an einer Wertabgabe des Betriebs fehlt. Allein daraus, dass maschinelle betriebliche Leistungen nicht von § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG erfasst werden, folgt aber nicht, dass diese per Definition auch im Anwendungsbereich der §§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 1, 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG keine Leistungen darstellen können. Die bisher vorgebrachten Argumente der Finanzverwaltung können u.E. somit noch nicht überzeugen.
Vielmehr wiederspricht die Argumentation an vielen Stellen der Rechtsprechung des BFH. So hat dieser bspw. in seinem Urteil v. 26.04.2018 (III R 25/16) u.a. ausgeführt, dass es „für die Abgrenzung einer Dienstleistung von der Überlassung eines Rechts unerheblich ist, ob die Leistung unmittelbar durch eine Person (z.B. einen Immobilienmakler) oder aber „maschinell“ erbracht wird.“ Zudem hat sich der BFH bereits in einem anderen Zusammenhang mit der rechtlichen Reichweite des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG auseinandergesetzt und diesem insoweit keine allgemeine Bedeutung beigemessen. Ferner entstünden Widersprüche zu den bisher von BFH und BGH bereits entwickelten allgemeinen Grundsätzen zur Abgrenzung von Dienstleistungen und Rechteüberlassungen, wonach z.B. eine erfolgsbezogene Vergütung ein Indiz für die Annahme eines Dienstvertrags darstellt und Online-Werbung grds. zivilrechtlich als Dienst- oder Werkvertrag eingestuft wird, hingegen nicht als Rechtspachtverhältnis. Im Konflikt steht die Argumentation letztlich auch mit den Wertungen des BMF Schreibens v. 27.10.2017 zur beschränkten Steuerpflicht und zum Steuerabzug bei grenzüberschreitender Überlassung von Software und Datenbanken, wonach eine Rechteüberlassung voraussetzt, dass dem Nutzer umfassende Nutzungsrechte zur wirtschaftlichen Weiterverwertung eingeräumt werden.
Fazit: In der Vielzahl der Fälle besteht keine Steuerabzugspflicht
Im Ergebnis widerspricht die Annahme einer Verpflichtung zum Steuerabzug bei Online-Werbeleistungen von ausländischen Portalbetreibern in der Vielzahl der Fälle der aktuellen Rechtslage. Dass sich die von Seiten der Finanzverwaltung vorgeschlagene steuerspezifische Abgrenzung zwischen Nutzungen und Dienstleistungen durchsetzen wird, ist eher unwahrscheinlich. Die maschinelle Erbringung von Online-Werbeleistungen sollte daher nicht anders zu behandeln sein, als persönlich erbrachte Werbeleistungen. Diese stellen nach st. Rspr. des BFH grundsätzlich Dienst- oder Werkverträge dar und enthalten keine Rechteüberlassungselemente. Auch eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 f) GewStG wird bei Online-Werbeleistungen aus den gleichen Gründen in vielen Fällen ausscheiden. Ungeachtet dessen ist davon auszugehen, dass Online-Werbeleistungen in Betriebsprüfungen weiter vermehrt aufgegriffen werden. Schon in Vorbereitung auf die Betriebsprüfungen sollte im Einzelfall geprüft werden, ob nach den konkreten Vertragsvereinbarungen tatsächlich ausschließlich Werk- oder Dienstleistungen vorliegen oder ob nicht doch eine Nutzungsüberlassung an Rechten gegeben ist. Aufgrund der vielfältigen Erscheinungsformen von Online-Werbeleistungen werden sich die Unternehmen künftig vor komplexe Abgrenzungsfragen gestellt sehen.
Wir weisen auf unser Seminar bzgl. der aktuellen Entwicklungen im Rahmen des Steuerabzugs nach § 50a EStG hin, welches von FGS in Zusammenarbeit mit Vertretern der Finanzverwaltung am 21. Mai 2019 in Frankfurt veranstaltet wird. Einladung folgt.