Upgrade der Finanzverwaltung – Data Analytics und Steuerfahndung 4.0

Dass der Technologiedruck der Digitalisierung in der Rechtsberatung, darunter insbesondere der Steuerberatung, zu großen Umwälzungen führen wird, ist ein offenes Geheimnis. Allein schon der Blick in die einschlägigen Stellenanzeigen zeigt, dass sich die Beratungsbranche in einem nachhaltigen Veränderungsprozess befindet. Begriffe wie „Tax Technology and Transformation“ oder „Big Data Analytics – Focus Tax“ unterstreichen, dass signifikante Teile der Branche die Zeichen der Zeit („more-for-less-challenge“) erkannt haben und auf der Suche nach spezialisiertem Personal sind.

Neu indes ist, dass die Finanzverwaltung, welche insbesondere mit der Einführung der E-Bilanz die Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse vorangetrieben hat, nunmehr über die Anwendung der im Wesentlichen auf mathematisch-statistischen Methoden beruhenden, Prüfsoftware IDEA („Interactive Data Extraction and Analysis“) hinaus, ernsthaft den Einsatz von Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) im Bereich von Massendaten diskutiert.

So gab die Hessische Finanzverwaltung im September bekannt, am Finanzamt Kassel II-Hofgeismar, eine Forschungsstelle zur Anwendung Künstlicher Intelligenz  einzurichten. Ein Forschungsvorhaben mehrerer Wissenschaftler und IT-Spezialisten der Hessischen Finanzverwaltung soll dort der Frage nachgehen, wie Künstliche Intelligenz eingesetzt werden kann, um große Datenmengen auszuwerten. Konkret sollen zum Ausbau der Digitalen Steuerfahndung die Stellen in der IT-Forensik verdoppelt und über 2 Millionen Euro etwa für noch schnellere Netzwerkrechner und leistungsstarke forensische Software ausgegeben werden.

Dieser Schritt der Hessischen Finanzverwaltung ist ausdrücklich zu begrüßen und zugleich ein Vorbild für die Finanzverwaltungen anderer Bundesländer, was sowohl die Investitionen in hoch qualifiziertes Personal als auch in neue Hardware betrifft. Zwar werden in anderen Finanzverwaltungen erste Abteilungen zur systematischen Analyse von Massendaten aufgebaut. Einen flächendeckenden Einsatz von KI-Methoden, unter anderem zur Erkennung von Anomalien in Massendaten für steuerliche Zwecke, gibt es hingegen nicht. Dies ist umso unverständlicher, als sich vor allem das Umsatzsteuerrecht bzw. die Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung aufgrund der Vielzahl von Transaktionsdaten bei einer zugleich dramatisch gesunkenen Prüfungsquote bei Umsatzsteuer-Sonderprüfungen von Unternehmen (rechnerisch alle 71 Jahre lt. BRH, Prüfungsbericht 2018, Bemerkungen Nr. 32) als ein denkbares Forschungsfeld für eine von KI getriebene Risikoanalyse geradezu aufdrängt.

Ein Grund hierfür könnte sein, dass zum Teil noch keine ausreichend konkrete Vorstellung von den Möglichkeiten eines Einsatzes der Schlüsseltechnologie KI in der Steuerverwaltung besteht (vgl. auch die anschauliche „Typologie“ durch Prof. Dr. Fettke im Hinblick auf die Rezeption der KI in der Steuerberatungsbranche https://www.stb-web.de/news/article.php/id/18981). Ein anderer Grund mag sicher darin liegen, dass die Personalgewinnung in diesem Bereich auch für die Finanzverwaltungen eine sehr große Herausforderung darstellt. Der von der Hessischen Finanzverwaltung aufgezeigte Weg eines dualen Studiums in Kooperation mit einer Universität geht daher in die richtige Richtung. Einen noch vielversprechenderen Ansatz verfolgt die WTS mit dem geplanten Masterstudiengang zum „Digital Tax Officer“. Vorlage dafür könnte vielleicht die niederländische Nyenrode Business Universiteit mit ihrem Tax Data Science Programm sein.