Umsatzsteuer im E-Commerce: Deutsche und europäische Neuerungen für Online-Marktplätze

Der Bundesrat hat am 23. November 2018 das Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften angenommen (vormals Jahressteuergesetz 2018). Das Kernthema der neuen Regelungen ist, wie der Name bereits vermuten lässt, die Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrug im Onlinehandel.

Die Neuerungen umfassen für Betreiber elektronischer Marktplätze die Haftung für Steuerverkürzungen von Onlinehändlern und entsprechende Aufzeichnungspflichten (§§ 22f, 25e UStG).

Daneben greifen ab dem Jahr 2021 EU-weit zusätzliche, hiervon unabhängige Regelungen aus der sog. E-Commerce Richtlinie (RL 2017/2455/EU des Rates v. 5.12.2017, Art. 14a Abs. 1 und 2 MwStSystRL), die ebenfalls den Onlinehandel betreffen werden.

Die beiden Regelungen stehen grundsätzlich nebeneinander, sodass sich Betreiber von Online-Plattformen und Onlinehändler an beide Regelungen werden halten müssen. Was dies im Einzelnen umfasst, wird im Folgenden erläutert.

Elektronische Marktplätze und elektronische Schnittstellen

Sowohl die deutsche, wie auch die künftige unionsweite Regelung betreffen elektronische Marktplätze bzw. elektronische Schnittstellen. Das deutsche Gesetz versteht unter einem Marktplatz Webseiten oder ähnliche Instrumente, mit deren Hilfe Informationen über das Internet zur Verfügung gestellt werden (vgl. § 25e Abs. 5 UStG n.F.). Dagegen fallen unter den EU-weiten anzuwendenden Begriff der elektronische Schnittstellen insbesondere Marktplätze, Plattformen, Portale oder Ähnliches. Insofern weichen die Begrifflichkeiten zwar voneinander ab, jedoch ist die Schnittmenge der betroffenen Normadressaten bei beiden Regelungen nahezu identisch und vor allem technologieoffen ausgestaltet.

Haftungsvoraussetzungen für Betreiber elektronischer Marktplätze ab. 1.1.2019 (§ 25e UStG)

  • Lieferung eines Unternehmers (unabhängig vom Ansässigkeitsort).
  • Die Lieferung wurde auf dem Marktplatz „rechtlich begründet“.
  • Die Lieferung ist in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig.
  • Bei Steuerverkürzung: vorherige Vollstreckung in bewegliches Vermögen des Unternehmers (§ 219 S. 1 AO u. § 25e Abs. 8 UStG-E)
    • Bei Dritten mit Sitz in EU oder EWR, muss die Vollstreckung erfolglos/aussichtslos gewesen sein, erst dann haftet der Betreiber.
    • Bei sonstigen Dritten (EU-Ausland/Drittland) ist kein Vollstreckungsversuch nötig und der Betreiber haftet somit direkt.

Voraussetzungen für Auszeichnungspflichten ab 1.1.2019 (§ 22f UStG)

  • Lieferer des Gegenstandes ist Unternehmer.
  • Die Lieferung wurde auf dem Marktplatz „rechtlich begründet“.
  • Die Beförderung oder Versendung des Liefergegenstands beginnt oder endet in Deutschland.

Folgende Informationen muss der Betreiber eines elektronischen Marktplatzes von Händlern, die über den Marktplatz Geschäfte abwickeln, aufzeichnen:

Lieferkettenfiktion (Art. 14a Art. MwSyStRL i.d.F. ab 2021)

Elektronische Schnittstellen werden unter gewissen Voraussetzungen ab dem Jahr 2021 in die Lieferkette zwischen einem Onlinehändler und dem Käufer der Ware fiktiv miteinbezogen, auch wenn dies nicht dem realen Leistungsweg entspricht. Konkret wird fingiert, dass die Schnittstelle die Waren vom Händler selbst bezieht (Leistungsempfänger) und dann selbst tatsächlichen Abnehmer der Ware liefert.

Dies betrifft aber nur solche elektronischen Schnittstellen, die folgende Lieferungen unterstützen:

  1. Gegenstand wird aus einem Drittland eingeführt (Fernverkauf) und zwar in einer Sendung mit einem Sachwert von höchstens 150 EUR (Zollfreigrenze).
  2. Gegenstand, der sich bereits in EU (z.B. Lager in den Niederlanden) befindet, wird von einem Nicht-EU Unternehmer an eine Privatperson in einen anderen EU Mitgliedstaat (z.B. Deutschland) geliefert.

Rechtsfolgen der nationalen und europäischen E-Commerce Regelungen für elektronische Marktplätze/Schnittstellen

Ausblick und offene Fragen

Für die Betreiber von Marktplätzen verschärfen sich ab dem 1.1.2019 die Regeln in Deutschland. Weitere Änderungen werden für 2021, durch Umsetzung der unionsrechtlichen Regelungen zu Onlinemarktplätzen, erwartet.Unklar ist wie die beiden Regelungen zukünftig koexistieren werden bzw. wie der nationale Gesetzgeber die unionsrechtlichen Regelungen in zwei Jahren ins deutsche Gesetz einpasst.

Gerade die deutschen Regelungen enthalten eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe (rechtlich begründet, anderes Instrument u.a.).

Auch bei der europäischen Norm wird sich zeigen, was eine elektronische Schnittstelle konkret leisten muss, damit es eine „unterstützende Tätigkeit“ ausübt, die die Lieferkettenfiktion rechtfertigt.

Daneben sind auch Onlinehändler (unabhängig vom Ansässigkeitsort) von den neuen Regelungen betroffen. Online-Marktplätze werden zukünftig von ihnen den Transportweg und andere Lieferdetails regelmäßig abfragen, um eine mögliche nationale Haftung zu vermeiden bzw. die umsatzsteuerlichen Konsequenzen der Lieferkettenfiktion zu erfüllen. Bei fehlender Kooperation der Onlinehändler, droht diesen künftig der Ausschluss vom Marktplatz.

Autoren:

Rainald Vobbe ist Steuerberater, Diplom-Finanzwirt, Fachberater für Zölle und Verbrauchsteuern
sowie Assoziierter Partner am Standort Bonn.

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David Dietsch ist Steuerberatungsassistent im Bonner Büro.

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