Der grenzüberschreitende Online-Handel fordert zunehmend etablierte Geschäftsmodelle heraus. Das trifft auch auf den Bereich der Umsatzsteuer-Compliance für Großkonzerne zu—bislang eine Domäne großer Systemhäuser und Beratungsgesellschaften.
In diesem Blogpost berichten wir darüber, wie ein DAX-Konzern die Umsatzsteuer-Compliance seiner grenzüberschreitenden Online-Handelsumsätze automatisiert hat. Das erfolgt mit Hilfe einer API.
Was ist eine API?
Eine API (Application-Programming-Interface) wird umgangssprachlich auch als Programmierschnittstelle bezeichnet. Sie ermöglicht es, Informationen zwischen unterschiedlichen Systemen standardisiert und automatisiert auszutauschen—bei Bedarf sogar in Echtzeit.
Das folgende Bild zeigt, wie z.B. Informationen zu Lieferschwellen (§ 3c UStG) automatisiert an das ERP-System (z.B. SAP) übermittelt werden können (hier: Get threshold status).
API: ein Beispiel aus der frei verfügbaren Dokumentation zur Taxdoo-API: https://dev.taxdoo.com/#introduction
Im Gegensatz zum Finanzsektor ist diese Form des standardisierten und automatisierten Datenaustausches im Bereich der Umsatzsteuer-Compliance kaum verbreitet.
Bislang gehen entsprechende Vorhaben bei Großkonzernen regelmäßig mit umfangreichen Beratungsprojekten und aufwändigen Anpassungen für das jeweilige ERP-System einher. Das Ergebnis sind dann häufig EXCEL-Schnittstellen, deren Output wiederum semi-manuell mittels Makros ausgewertet und weiterverarbeitet werden muss.
Wo liegen bislang die Herausforderungen im Bereich der Umsatzsteuer-Compliance ?
SAP, Navision & Co.
Die unter Großkonzernen verbreiteten ERP-Systeme wie z.B. SAP und Navision verfügen bislang über keine direkten Schnittstellen zu elektronischen Marktplätzen wie z.B. Amazon oder eBay. Eine zwingend erforderliche tagesaktuelle Umsatzsteuer-Compliance ist somit nicht möglich.
Weshalb ist das wichtig? Dazu folgen zwei Beispiele.
1. Überwachung von Steuerpflichten bzw. Lieferschwellen
Große Unternehmen gehen einher mit hohen Umsätzen. Im grenzüberschreitenden Online-Handel an Endverbraucher können durch das Überschreiten relativ niedriger Schwellenwerte (Lieferschwellen, § 3c UStG) Steuerpflichten im EU-Ausland begründet werden.
Bis auf vier Ausnahmen verfügen alle anderen Mitgliedstaaten mittlerweile über eine Lieferschwelle in Höhe von 35.000 Euro (netto) pro Kalenderjahr, so dass Steuerpflichten im EU-Ausland bei einer semi-manuellen Prüfung mittels EXCEL-Makro zum Monatsende häufig zu spät erkannt werden.
Lieferschwellen: Im Online-Handel an Endverbraucher sollten Lieferschwellen zwingend tagesaktuell und vorausschauend überwacht werden.
Um proaktiv Steuerpflichten zu erkennen und die damit einhergehenden Abgaben von Umsatzsteuer-Erklärungen im EU-Ausland rechtzeitig vornehmen zu können, ist daher eine tagesaktuelle und vorausschauende Überwachung der Lieferschwellen zwingend erforderlich.
Über das eingangs beschriebene Beispiel der Lieferschwellenabfrage (Get threshold status) kann jedes ERP-System diese Information automatisiert beziehen— in Echtzeit.
2. Automatisierte umsatzsteuerliche Beurteilung jeder Transaktion?
Bei der Verwendung von grenzüberschreitenden Fulfillmentstrukturen, ohne die ein zeitgemäßer Online-Handel kaum noch auskommt, muss zwingend jede einzelne Transaktion zeitnah automatisiert beurteilt werden können.
Warum?
- Waren werden häufig basierend auf Nachfrageprognosen permanent zwischen Fulfillment-Centern in verschiedenen EU-Staaten verbracht. Diese sogenannten innergemeinschaftlichen Verbringungen (§ 3 Abs. 1a UStG) und die damit einhergehenden innergemeinschaftlichen Erwerbe (analog § 1a Abs. 2 UStG) müssen laufend ermittelt und deklariert werden.
i.g. Verbringungen/ig. Erwerbe: Die Verwendung grenzüberschreitender Fulfillment-Strukturen führt laufend zu steuerbaren Transaktionen.
- Durch zahlreiche Kombinationen aus Ursprungs- und Bestimmungsland muss jede Lieferung einzeln und automatisiert umsatzsteuerlich bewertet werden können. Das ist umso wichtiger, wenn einzelne Artikel einer Bestellung aus mehreren EU-Staaten heraus versendet werden.
Fulfillment-Center: Grenzüberschreitende Fulfillment-Strukturen verkürzen Lieferzeiten. Sie erhöhen aber auch die Anforderungen an die USt-Compliance.
Das stellt große ERP-Systeme vor einige Herausforderungen.
Wie kommen die Daten ins ERP-System?
SAP und Navision sind die unter Großkonzernen am häufigsten verbreiteten ERP-Systeme. Jedoch fehlen ihnen grundlegende Funktionen für eine hinreichende Umsatzsteuer-Compliance im Online-Handel.
Ein Großkonzern wird zudem regelmäßig nicht auf ein ERP-System umsteigen können, welches direkte Schnittstellen zu elektronischen Marktplätzen oder Shop-Systemen hat.
Die wichtigste Frage der Steuer- und der Finanzabteilungen lautet daher oft: Wie bekommen wir die (Erlös)Daten der Vertriebskanäle aus dem Online-Handel in unser ERP-System?
Auch dazu kann eine API eingesetzt werden.
Eine API für die Umsatzsteuer-Compliance in Echtzeit
Eine API kann für Zwecke der Umsatzsteuer-Compliance sowohl Daten aus ERP-Systemen beziehen als auch laufend in diese übertragen—vollständig umsatzsteuerlich aufbereitet.
Elektronische Markplätze wie z.B. Amazon-Marketplaces, Amazon-Business oder eBay können daher mittels API mit jedem ERP-System (z.B. SAP oder Navision) verbunden werden.
Über die API werden umsatzsteuerlich strukturierte Rohdaten aus den Marktplätzen laufend an das ERP-System übergeben (hier: Get Transactions). Die automatisierte und zeitnahe Erstellung umsatzsteuerlich korrekter Rechnungen über das ERP-System ist anschließend kein Problem mehr.
Beispiel der Dokumention einer API: https://dev.taxdoo.com/#introduction
Ebenso können automatisiert Belege für die innergemeinschaftlichen Verbringungen erzeugt werden—die sogenannten Pro-Forma-Rechnungen.
Die abschließende Frage ist nun: Wie kann die Steuerabteilung oder die Finanzbuchhaltung mit diesen Daten arbeiten?
Aufbereitung und Visualisierung mittels Dashboard
Neben den bislang geschilderten Herausforderungen haben Großkonzerne oftmals ein weiteres Risiko im Rahmen der Umsatzsteuer-Compliance.
Relevante Daten müssen regelmäßig manuell als Tabellen aus SAP und Co. extrahiert und anschließend mittels EXCEL-Makros konvertiert werden. Diese manuellen Tätigkeiten stellen nicht nur potentielle Fehlerquellen dar. Häufig ist dafür ein Inselwissen erforderlich, welches bei einem Wechsel der zuständigen Mitarbeiter verloren geht.
Die über die API dem ERP-System übergebenen Daten können zu diesem Zweck z.B. parallel an ein sogenanntes Dashboard übergeben werden. Dort werden diese visualisiert und können in jedes erforderliche Format sowie in jede denkbare Analyse automatisiert überführt werden.
Beispiel Dashboard: Alle relevanten umsatzsteuerlichen Informationen sind tagesaktuell verfügbar.
Im Online-Handel steht am Ende des Prozesses die Herausforderung, den Steuerpflichten im Ausland nachzukommen.
Wie kommen zuletzt die Daten zu den Finanzämtern im Ausland?
Ein automatisierter Prozess von der Datenquelle bis hin zum Finanzamt im Ausland
Wie ist bislang das Vorgehen bei Steuerpflichten im EU-Ausland?
In vielen Großkonzernen werden zu diesem Zweck zum Monats- oder Quartalsbeginn entsprechend aufbereitete EXCEL-Dateien per E-Mail an Steuerberater im EU-Ausland übermittelt. Das ist ein weiterer Systembruch, welcher ebenfalls eine erhebliche Fehlerquelle darstellt. Hinzu kommt ein stetiger Abstimmungsbedarf mit den Beratern im Ausland, welche diese Daten noch an nationale umsatzsteuerliche Besonderheiten anpassen müssen. Das führt zu hohen laufenden Kosten und birgt ein erhebliches Fehlerpotential.
Mittels API können auch diese Daten automatisiert ausgetauscht werden. Der Berater im Ausland erhält einen Datensatz, welcher bereits vollständig an die jeweils nationalen Auslegungen der MwStSystRL angepasst wurde – im Idealfall unmittelbar in das System, aus welchem er die Umsatzsteuer-Erklärungen erzeugt und an die lokalen Finanzbehörden übermittelt. In einzelnen EU-Staaten, z.B. in Österreich, ist sogar eine direkte Übermittlung an die Finanzbehörden möglich.
Letztendlich ist so ein automatisierter Prozess denkbar: von der Rohdatenquelle bis hin zu den Finanzbehörden im Ausland und der eigenen Finanzbuchhaltung.
Fazit
Systembrüche, manuelle Tätigkeiten und Inselwissen einzelner Mitarbeiter bergen ein erhebliches Risikopotential im Rahmen der (Umsatz)Steuer-Compliance. Standardisierte Prozesse und ein Datenaustausch zwischen Systemen und Ländergrenzen mittels API-Technologie können diese Risiken erheblich minimieren.