Open Source für die Steuerveranlagung!

Einige werden jetzt sicherlich ob der Überschrift gleich gedanklich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Aber lesen Sie erst einmal weiter.

Überall hört man von der bevorstehenden Pensionierungswelle der Babyboomer und dem damit sich bald dramatisch ausweitenden Personalmangel im öffentlichen Dienst, aber auch von Expertenmangel bei den steuerberatenden Berufen und Unternehmen. Die Finanzverwaltung versucht bereits länger durch Automatisierung die Steuererhebung effizienter zu gestalten. Trotz einiger Projekte (z.B. KONSENS seit 2004 – die Koordinierte neue Software-Entwicklung der Steuerverwaltung) konnte bisher keine einheitliche Steuersoftware für alle Landesfinanzverwaltungen geschaffen werden. Leider. Denn auch als Steuerzahler bin ich an einer effizienten und schnellen Verwaltung ohne Vollzugsdefizit interessiert. Die Gründe für das Fehlen eines zentralen Berechnungsprogramms in der Verwaltung, für das späte Veröffentlichen der aktuellen Steuerformulare, für das Fehlen von elektronischen Bescheiden für Unternehmenssteuern usw. mögen vielfältig und auch nachvollziehbar sein. Ein gewisser Frust sicherlich auch.

Auch die andere Seite arbeitet am selben Thema: die technische und möglichst effiziente Abwicklung der Steuererklärungspflichten im Erhebungsverfahren. Es gibt verschiedene in diesem Bereich spezialisierte Softwareanbieter. Und es gibt  Steuerpflichtige und Berater, die damit umgehen müssen. Letztlich haben Finanzverwaltung, Steuerpflichtige und Berater hier dasselbe Interesse. Und alle haben dasselbe Problem genügend qualifizierte Entwickler auf dem Markt zu finden.

Die Idee von Open Source ist bereits über 50 Jahre alt. Dabei ist der Quelltext einer Software öffentlich und kann von Dritten eingesehen, geändert und genutzt werden. Verwertung, Vervielfältigung und Bearbeitung sind nicht per se frei möglich, sondern meist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Bei freier Software gibt es sogar diese Vorbehalte nicht. Die Grenzen verschwimmen hier. Gemeinsam ist jedoch dem Konzept von Open Source und freier Software, dass verschiedene und potentiell unendlich viele Entwickler daran arbeiten, eine Software zu entwickeln und immer besser zu machen. Der Entwicklungsaufwand wird geteilt, die besten Ideen setzen sich durch. Damit muss nicht jeder einzelne Interessent von null beginnen. Linux, Github, MySQL, Mozilla Firefox und Apache Open Office sind nur einige erfolgreiche Beispiele.

Open Source Software kann so günstiger, innovativer und besser sein als herkömmliche Software und zudem schneller entwickelt werden. Die Basis zur technischen Abwicklung der Steuererklärungspflichten könnte gemeinsam von allen Interessenten entwickelt werden. Bei Open Source kann jeder an verschiedensten Entwicklungsstadien aufsetzen und die Software für seine Bedürfnisse auch allein weiterentwickeln. Ausgehend von einer gemeinsamen Basis könnten Sonderwünsche individualisiert werden, z.B. besondere Maßnahmen zum Schutz des  Steuergeheimnisses für die Finanzverwaltung oder bestimmte Analysen auf Wunsche einzelner Bundesländer oder Steuerpflichtiger. Softwareanbieter und Berater könnten Zusatzmodule entwickeln und auf dem Markt anbieten.

Open Source kann dort Ressourcen sinnvoll bündeln, wo alle Beteiligten dasselbe Interesse haben. Und diese Basis ist aus meiner Sicht recht umfangreich. Sicherlich ist dies nur eine Vision, aber vielleicht eine, über man intensiver nachdenken sollte.

Sie können jetzt gedanklich die Hände wieder von Ihrem Kopf nehmen.