Automatisierung von Arbeitsschritten durch Robotics – Schneller Einstieg vs. Grenzen der Anwendung

Liebe Leserinnen und Leser,

viele von uns denken bei dem Schlagwort Digitalisierung an den Einsatz von Künstlicher Intelligenz, Machine Learning und Neuronale Netze. Dies sind unstrittig die spannenden Bereiche, die uns in nicht allzu ferner Zukunft, wenn nicht heute schon beeinflussen. Allerdings geht es in den meisten Fällen von Digitalisierung noch darum, unerledigte Hausaufgaben zu machen und zunächst eher bodenständige Lösungen zu implementieren.

Denken Sie doch einfach mal darüber nach wieviele Arbeitsschritte Sie oder Ihre Kollegen täglich/monatlich oder auch nur jährlich mit einfachen, sich wiederholenden Copy/Paste Aufgaben verbringen. Dabei kann es sich durchaus um komplexes Datenmaterial oder sensitive Informationen handeln, allerdings ist der reine Prozess der Sammlung und Übertragung derselben schlicht, zeitraubend und fehleranfällig.

Eine Möglichkeit diesen kritischen, wenn auch manchmal unliebsamen Aufgabenbereich zu verschlanken, ist der Einsatz von Robotics Lösungen oder auch RPA genannt (Robot Process Automation). Hierbei kommt ein Computerprogramm zum Einsatz, welches in regelmäßigen Abständen oder auf Veranlassung vorgegebene Arbeitsschritte, schnell, routiniert und frei von Flüchtigkeitsfehlern abarbeitet. Dabei muss es sich noch nicht einmal um eine hochkomplexe Software handeln, die alle möglichen Eventualitäten kennt, um beispielsweise die Bearbeitung von Versicherungsanträgen zu beschleunigen. In vielen Fällen hilft es schon alltägliche Arbeitsschritte auf Touren zu bringen. Entscheidend ist hierbei eine geringe Komplexität und der repetitive Charakter.

In meinem Fall ging es lediglich um ein Skript, welches routinierte Arbeitsschritte schnell und effizient ausführt. Der diesjährige Jahresabschlussprozess sollte durch ein Skript vereinfacht werden, welches überprüft, ob mir rund 40 Business Controller, die notwendigen qualitativen Informationen zur Verprobung der technisch gemeldeten Steuerzahlen für den Konzernabschluss zur Vergfügung gestellt haben.

Die Idee:

Anstelle täglich, ggf. mehrfach, händisch zu prüfen, ob die zu liefernden Informationen inzwischen am vorgegebenen Ort auf dem Server abgelegt wurden, kam mir folgende Idee – „Du willst Programmierer sein – dann programmiere was“. Gesagt getan. Ich gab an alle Controller explizite Anweisungen wie die Ordnerstruktur, der Dateiname und der Aufbau der Exceldatei auszusehen hatte. Als nächstes schrieb ich „mal schnell“ einen Bot – dachte ich. Der Bot sollte in meinem Fall ein kleines Skript sein, welches für alle Gesellschaften prüfte, ob auf dem Server in besagtem Ordner, in besagter Datei, die erhofften Registerblätter gespeichert waren. Die Informationen sollten in einer Exceldatei ausgegeben werden und mit einem Hyperlink versehen werden. Ziel war per Doppelklick auf den Link auf die Information zugreifen könnte. Sofern die Teile der Voraussetzungen fehlten, sollte eine automatische , aber personalisierte, Serien-Email an den Business Controller gehen, mit der Information, was noch fehlte (z.B. Datei nicht am erwarteten Ort oder Inhalt unvollständig).

Die Durchführung:

Nach zwei Stunden hatte ich einen lauffähigen Prototyp und nach acht Stunden war der Bot fertig. Es stellte sich das mulmige Gefühl ein, dass ich in dieser Zeit einiges an manueller Überprüfung hätte vornehmen können. Allerdings ging es mir um den Erfahrungsgewinn und es geschah in meiner Freizeit (wenn auch meine Frau der Ansicht war für gewöhnlich sähe Freizeit etwas anders aus).

Die Ergebnisse:

Mensch-Maschinen-Kommunikation ist nur begrenzt automatisierbar oder bringt gehobene Ansprüch an Fehlertoleranz mit sich …

Was meine ich damit? Menschen sind keine Roboter, somit begab es sich, dass in ca. 50% der Fälle, einer oder mehrere untengenannter Fälle eintrat:

  1. der Dateiordner hieß ähnlich aber anders
  2. der Dateiname hatte zusätzliche Zeichen (z.B. 2017, Leerzeichen, etc.)
  3. die geforderten Excelarbeitsblätter hatten andere Namen, waren nicht vorhanden oder im schlimmsten Fall waren sie vorhanden, aber nicht befüllt

Die Folge war, dass mein Bot jede Menge Fehlermeldungen wegen fehlender Informationen ausgab. Diese waren nach manueller Kontrolle zwar vorhanden, aber mein Bot ignorierte sie auf die dem Computer eigene, pedantische Art. Für Computer ist die Datei „tax reporting.xlsx“ nun einmal nicht die Datei „tax_reporting.xlsx“ ist. Ein Leerzeichen ist für den Computer kein Unterstrich, auch wenn ein Mensch soetwas mit einem Auge erkennt.

Nach einem ersten Impuls den Bot mittels „Regular Expressions“ – eine Analysesprache, um Informationen aus Textausdrücken zu ziehen – hier intelligenter agieren zu lassen, verwarf ich. Ich vermutete es sei schneller die Controller „mal eben“ per Email um eine Anpassung zu bitten. Die Folge war eine kurze Kommunikation im Ping Pong Stil à la

  • „Bitte speichern Sie die Datei wie in der Email erbeten ab.“
  • „Habe ich doch!“
  • „Nein, tax_reporting.xlsx ist nicht das gleiche wie tax_reporting_v2.xlsx.“
  • „Ich wusste ich nicht, dass das so wichtig ist, hätte vieleicht in der Email präziser stehen sollen.“
  • „Stand es.“
  • „Glaube ich nicht, aber ich schaue mal nach – Oh Tatsache, es war mir trotzdem nicht bewusst, dass das so wichtig ist.“

Was mir an dieser Stelle zu denken gab, war dass es sich hierbei um rund 20 von 40 Fällen handelte, bei denen diese Hürden auftraten. Es schien sich somit um einen systemischen Fehler zu handeln. Auch führte die erste Reaktion dazu, dass ich meinen Bot manuell nachkontrollierte und immer noch zum gleichen Ergebnis kam. Aber ich hatte mich verunsichern lassen und deshalb die Arbeit zur Sicherheit noch einmal manuell überprüft mit der Erkenntnis, dass der Bot immer noch recht hatte. Dies war andererseits doch genau das, was ich nicht beabsichtigt hatte.

Fazit:

Das Projekt Prozessbeschleunigung durch Skripte / Robotics war ein spannendes, wenn auch emotional anstrengendes Experiment, was deutliche Anforderungen stellt, wenn es mit menschlichem Input interagieren soll. Wahrscheinlich werde ich im nächsten Jahr den Prozess teilautomatisieren. Der Bot zeigt mir alle Ordner, Dateien und Excelsheets an und ich überprüfe die Ergebnisse händisch auf Konsistenz. Dies wird wahrscheinlich eine elegantere Mischung aus technisch perfekter Lösung und Zeitaufwand sein.

Darüber hinaus gibt es jedoch einige Anwendungsbereiche, insbesondere wenn es um die autmatisierte Datensammlung, -verarbeitung und -bereitstellung für weitere Schritte geht (auch bekannt unter dem Begriff ETL – Extract, Transform, Load) in welchen Software-Bots unschlagbare Dienste leisten können.

mit digitalen Grüßen
Ihr Patrick Neuman