1. Elektronische Kommunikationsmittel im finanzgerichtlichen Verfahren
Die Praxis der Finanzgerichtsbarkeit ist nach wie vor von konventionellen Kommunikationsformen geprägt (Übermittlung von Schriftsätzen auf dem Postweg oder per Telefax). Deren Ende ist jedoch eingeläutet. Mit dem Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 (BGBl. I 2013, S. 3786) wurde u.a. die FGO geändert. Wesentliches Element ist die verbindliche Einführung des elektronischen Schriftverkehrs von Anwälten und Behörden mit den Gerichten. Die gesetzliche Neuregelung kann daher als Meilenstein auf dem Weg zur vollständigen Digitalisierung des (finanz-)gerichtlichen Verfahrens bezeichnet werden.
Ab dem 1.1.2022 soll die Kommunikation des Prozessvertreters mit dem Finanzgericht ausschließlich in elektronischer Form erfolgen. Die letzte Stufe der Digitalisierung wird dann voraussichtlich zum 1.1.2026 mit der verpflichtenden Führung elektronischer Akten für alle Finanzgerichte erreicht sein.
Für Rechtsanwälte besteht – zumindest in der Theorie – bereits seit dem 1.1.2018 eine passive Nutzungspflicht des elektronischen Anwaltspostfachs (beA, § 31a BRAO). Aufgrund massiver technischer Probleme ist die beA-Plattform jedoch seit dem 23.12.2017 bis auf weiteres offline.
2. Elektronischer Schriftverkehr zum Finanzgericht seit dem 1.1.2018
Seit dem 1.1.2018 besteht flächendeckend bei allen Finanzgerichten im Bundesgebiet die Möglichkeit, Schriftsätze als elektronisches Dokument einzureichen (§ 52a Abs. 1 FGO). Eine aktive Nutzungspflicht gibt es derzeit allerdings noch nicht.
Voraussetzung ist jedoch, dass das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen oder von ihr signiert und auf einem der in § 52d Abs. 4 FGO abschließend aufgezählten „sicheren Übermittlungswege“ eingereicht wird (§ 52a Abs. 3 FGO). Anders als im Einspruchsverfahren ist die Übermittlung von vorbereitenden oder bestimmenden Schriftsätzen per einfacher E-Mail im finanzgerichtlichen Verfahren unverändert nicht zulässig.
Praktisch bestehen für Rechtsanwälte drei verschiedene Möglichkeiten der aktiven elektronischen Kommunikation mit dem Finanzgericht: Neben der Übermittlung elektronischer Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur gehören dazu die Versendung von elektronischen Dokumenten über ein De-Mail-Postfach (§ 52a Abs. 4 Nr. 1 FGO) und die Nutzung des beA (§ 52a Abs. 4 Nr. 1 FGO). In aller Regel werden Rechtsanwälte wohl vom beA Gebrauch machen, da aufgrund der passiven Nutzungspflicht ohnehin die hierfür erforderlichen technischen Voraussetzungen vorhanden sind. Für Steuerberater besteht neben dem Versand von Dokumenten mit einer qualifizierten elektronischen Signatur die Möglichkeit der sicheren Kommunikation über ein De-Mail-Postfach.
Die technischen Einzelheiten hat der Gesetzgeber in der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) vom 24.11.2017 (BGBl. I 2017, S. 3803) geregelt. Zulässige Dateiformate sind danach z.B. ausschließlich PDF und TIFF (subsidiär). Dokumente sind in druckbarer, kopierbarer und, soweit technisch möglich, durchsuchbarer Form einzureichen.
3. Zustellungen des Finanzgerichts: seit dem 1.1.2018 passive Nutzungspflicht
(Finanz-)Gerichte können seit dem 1.1.2018 an bestimmte Personen, bei denen aufgrund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann, elektronisch zustellen, müssen dies aber nicht tun (§ 174 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 ZPO, anwendbar über § 53 Abs. 2 FGO). Diese „professionellen Verfahrensbeteiligten“ – zu denen neben Anwälten insbesondere Steuerberater sowie Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer gehören – haben deshalb einen sicheren Übermittlungsweg für die Zustellung elektronischer Dokumente zu eröffnen.
Damit besteht seit dem 1.1.2018 auch für Steuerberater (und Wirtschaftsprüfer etc.) eine passive Nutzungspflicht. Da es ein Pendant zum beA für Steuerberater bislang nicht gibt, kommt als einzig sicherer Übermittlungsweg derzeit die Einrichtung eines De-Mail-Kontos in Betracht.
4. Passive und aktive Nutzungspflicht ab 1.1.2022
Ab dem 1.1.2022 soll eine Pflicht zur aktiven Nutzung qualifizierter elektronischer Kommunikationsmittel für alle „professionellen Verfahrensbeteiligten“ bestehen.
Nur wenn eine Übermittlung aus technischen Gründen „vorübergehend“ nicht möglich ist, bleibt die Übermittlung auch nach dem 31.12.2021 nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, d.h. Schriftsätze können dann ausnahmsweise temporär in schriftlicher Form eingereicht werden. Ein dauerhafter Technik-Ausfall rechtfertigt jedoch keine „Ersatzeinreichung“.
5. Vollständige Digitalisierung ab 1.1.2026
Die letzte Stufe des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten soll 2026 erreicht sein. Ab dann werden (bislang „können“) auch die Gerichtsakten elektronisch geführt. Entsprechende Pilotprojekte gibt es bereits seit geraumer Zeit bei verschiedenen Finanzgerichten (bei allen drei Finanzgerichten in NRW führen seit dem 1.3.2017 jeweils zwei „Pilotsenate“ neu eingehende Verfahren ausschließlich in elektronischer Form).
Mit der schrittweisen Einführung der elektronischen Gerichtsakte einher geht die elektronische Akteneinsicht (vgl. § 78 Abs. 2 FGO).
6. Grenzen der Digitalisierung
Die Digitalisierung hat jedoch auch Grenzen. Dies gilt insbesondere für Beweismittel, die vom Gericht in Augenschein genommen und gewürdigt werden sollen. Solche Beweismittel sind als „Original“ einzureichen und zu würdigen (§ 82 FGO i.V.m. § 371 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Abgesehen von derartigen Ausnahmen wird es jedoch in der nahen Zukunft zu einer sehr umfassenden Digitalisierung der finanzgerichtlichen Praxis kommen.
Der ausführliche Beitrag von Hendricks/Höpfner zu dem Thema ist in Ubg 2018, 184 veröffentlicht.