Tax Technology Conference – Tax Compliance | Tax Management | Tax Solutions –

Am 23.10.2017 fand in Frankfurt/M. erstmals die Tax Technology Conference mit etwa 250 Teilnehmern, Referenten und Ausstellern unter der Tagungsleitung von Prof. Dr. Walter Brenner, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen, und Dr. Jens Hageböke, Partner bei Flick Gocke Schaumburg Partnerschaft mbB, statt. Es waren namenhafte Persönlichkeiten aus Unternehmen, Finanzverwaltung und Beraterschaft vertreten, die von ihren Erfahrungen rund um das Thema Digitalisierung und Technologieeinsatz im Steuerbereich berichtet haben. Neben Fachvorträgen und Workshops haben zahlreiche Firmen ihre Dienstleistungen und Softwarelösungen an Messeständen präsentiert.

Die Steuerabteilung im digitalen Wandel

Christian Stender, Partner Tax Transformation bei der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, erörterte seine Sicht über den digitalen Wandel in der Steuerabteilung. Nach seiner These werden die Mitarbeiter der Steuerabteilung der Zukunft nur noch Unterstützungsfunktion bei den von Computern ausgeführten Arbeitsprozessen leisten. Der Weg dorthin gehe über einen agilen Ansatz, der sich flexibel an neue Entwicklungen bzw. Erkenntnisse anpasse und immer eine Rückkopplung zwischen den jeweiligen Entwicklungsphasen (Überlegung, Konzeption, Entwicklung und Umsetzung) zulasse bzw. fördere. Vorher müssten die Unternehmen und Steuerabteilungen aber zunächst ihre „Hausaufgaben“ machen, die darin bestünden, Inkonsistenzen, Altsysteme und Insellösungen abzubauen.

IT-Tax-Revolution

Im Anschluss hieran gab Prof. Dr. Christian Kaeser, Leiter der Konzernsteuerabteilung der Siemens AG, einen höchstinteressanten Praxisbericht zu den Themen Datenmanagement, Prozessoptimierung und Künstliche Intelligenz (KI). Prof. Dr. Christian Kaeser zeigte auf, bei welchen Aufgaben IT in der Steuerabteilung unterstützen kann bzw. Automatisierungspotenziale bestehen. Er äußerte sich kritisch dazu, ob KI-Technologie alsbald umfassend Einzug in den Arbeitsalltag der Steuerabteilung von Siemens halten könne, weil die Komplexität und Kompliziertheit des Steuerrechts „untrainierbar“ erscheine – in Teilfunktionen sei dies aber möglich. Als ein wichtiges Digitalisierungsprojekt in seiner Organisation benannte er die automatische Weiterleitung von steuerlichen Anfragen an die jew. richtigen Kompetenzträger innerhalb des Konzerns über ein intranetbasiertes Beratungsinterface.

Rechtliche Rahmenbedingungen für interne Kontrollsysteme

Franz Hruschka, Leitender Regierungsdirektor beim FA München, ging der Frage „Tax-compliant Dank IT?“ nach. Der Schwerpunkt seines Vortrags lag auf den rechtlichen Rahmenbedingungen für ein Steuer-IKS, das seine Verwurzelung im Anwendungserlass zu § 153 AO habe und mit dem IDW PH 1/2016 eine abstrakte Gestalt bekommen habe. Franz Hruschka stellte klar, dass das Steuer-IKS im gegenwärtig weitläufig diskutierten Umfang seine Funktion in den Vorprozessen zur Steuerdeklaration (insb. FiBu) entfalte und damit viele Fragen über die zutreffende Würdigung von steuerrelevanten Sachverhalten (insb. Bewertungsfragen) noch nicht abgedeckt werden. Im Spannungsfeld zwischen schlichter Berichtigung von Fehlern in der Steuererklärung und strafbefreiender Selbstanzeige könne ein Steuer-IKS nur eine Indizwirkung gegen die Annahme einer Straftat, nicht aber eine Exkulpationswirkung entfalten. Ein gelebtes und wirksames IKS könne jedoch helfen, dass falsch deklarierte Sachverhalte seltener von der Bp an die Straf- und Bußgeldstelle abgegeben werden müssten. Über das IKS hinaus betonte er auch den transparenten Umgang mit Daten und deren Verarbeitung im Verhältnis zur Finanzverwaltung (co-operative compliance), wofür eine gute Dokumentation entscheidend sei, anhand derer die Unversehrtheit, sachgerechte Verarbeitung und wirksame Kontrollinstanzen belegt werden könnten.

Vereinfachtes Besteuerungsverfahren durch digitale Informationsbereitstellung

Einblicke in das digitale Leben der Finanzverwaltung gab Patricia Tewald, Leitende Ministerialrätin im FinMin. NRW. Die Finanzverwaltung sei im Inneren seit 20 Jahren vollständig digital. Interne Geschäftsprozesse liefen allesamt IT-gestützt ab – was vielfach nicht die Außenwahrnehmung in der Praxis wiederspiegelt. Im Zentrum ihres Vortrags stand das Risikomanagement (RMS) der Finanzverwaltung, das mit § 88 Abs. 5 AO im Zuge des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens jüngst eine Rechtsgrundlage bekommen hat, aber schon seit 2008 bundesweit im Einsatz bzw. Aufbau ist. Mit dem RMS wertet die Finanzverwaltung die vorliegenden Daten der Stpfl. automationsgestützt aus, um so effizient Betriebsprüfungsfälle auswählen zu können. Damit Anomalien in den Unternehmensdaten festgestellt und Stpfl. als prüfungsrelevant oder weniger prüfungsrelevant kategorisiert werden können, sei ein großer Fundus an Daten erforderlich. Der wesentliche Meilenstein beim Aufbau dieses Datenfundus sei das Datenzugriffsrecht der Bp gewesen, das seit 2002 besteht und über das die Finanzverwaltung Zugriff auf strukturierte Finanzbuchhaltungsdaten der geprüften Unternehmen erlangt hat. Wichtig war ihr klarzustellen, dass das RMS nicht dazu da sei, den nicht programmgerecht erklärenden Stpfl. als verdächtig zu definieren. Stpfl. würden durch vom RMS identifizierte Anomalien nicht unter Pauschalverdacht gestellt. Der Computer identifiziere nur die „risikobehafteten“ Fälle, um in Zeiten zunehmender Datenmassen, einer globalisierten Welt und abnehmender Personalkapazitäten in der Finanzverwaltung potenziellen Steuerverkürzungsfällen auch in der Breite Herr werden zu können. Die vom Computer eingesetzten „Risikofilter“ entstehen durch regelbasierte Systeme, also von Finanzverwaltungsbeamten vorgegebene Prüfmakros, sowie durch KI-Systeme, die über die neuronale Netztechnologie auch eigenständig Anomalien erkennen können. Die Risikofilter würden einer regelmäßigen Qualitätskontrolle unterzogen und die ausgewählten Fälle unterstünden auch einer personellen Prüfung. Erwähnenswert war auch der Ausblick auf zukünftige Digitalisierungsprojekte, wozu u.a. der massive Ausbau des Mitteilungsverfahrens von steuerrelevanten Daten, der Ausbau des Datenzugriffs (z.B. auf beim StB liegende Daten) und Online-Prüfungen zählen.

Integrierte Softwarelösungen für die Steuerabteilung

Renate Brücker, Leiterin Tax Reporting, Compliance & Processes der Deutsche Telekom AG, stellte vor, wie die Telekom ihre Prozesse unter Einsatz ihres Konzernsteuertools teo 2.0 digital optimiert hat. Aufbauend auf schlanken und vernetzten Arbeits- und Abstimmungsprozessen bei der Erfüllung der steuerlichen Deklarationspflichten sowie der externen Berichterstattung werde über das SAP-basierte Tool der gesamte Ertragsteuerzyklus einschließlich Bp, Country-by-Country Reporting und Verrechnungspreisdokumentation abgebildet. Mittels teo 2.0 seien erhebliche Synergien gehoben und Ineffizienzen abgebaut worden, sodass für den Telekom-Organkreis, bestehend aus über 100 Gesellschaften, die Steuererklärungen für das Jahr 2016 bereits im März 2017 hätten übermittelt werden können, wenn die Finanzverwaltung schon in technischer Hinsicht in der Lage gewesen wäre, die übermittlungspflichtigen Daten zu empfangen. Darüber hinaus sei das Betriebsprüfungsmodul von teo 2.0 das zentrale „Vehikel“ für die Deutsche Telekom AG gewesen, um eine zeitnahe Bp zu verwirklichen, sodass voraussichtlich schon ab 2018 das unmittelbare Vorjahr geprüft werden könne. Die Deutsche Telekom AG nimmt damit im Vergleich zu anderen multinationalen Konzernen eine Vorreiterrolle ein, die ohne eine integrierte Softwarelösung nicht erreichbar gewesen wäre.

Solution-Area & Workshops

In der Solution-Area wurden die Teilnehmer von den Sponsoren und Ausstellern der Konferenz, wozu u.a. FGS Digital, Horváth & Partners, Universal Units, Deloitte, KPMG und WTS zählten, an die jeweiligen Informationsstände zum Dialog über Digitalisierungsdienstleistungen und Toollösungen eingeladen. Danach fanden vier parallele Workshops statt. Gemeinsam mit Jesco Idler, Flick Gocke Schaumburg Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater Partnerschaft mbB, referierte der Verfasser dieses Berichts zu den Anforderungen und der technischen Umsetzung von Tax Compliance Management Systemen, worin auf die Notwendigkeit von gut strukturierten Prozessen sowie von Softwarelösungen bei der Umsetzung von TCM-Systemen jedenfalls in größeren Unternehmen hingewiesen wurde. Christian Ledulé, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, stellte in seinem Workshop mit dem Titel Data Driven Tax Function „Big Data“ sowie die toolgestützte Datenanalyse ins Zentrum. Dr.Andreas Kowallik und Jens Schäperclaus, beide Deloitte, sprachen in ihrem Workshop über Zukunftstechnologien für den Steuerbereich mit dem Schwerpunkt des Datenmanagements insb. im Zuge von OneERP-Projekten. Niels Hofer, Jürgen Scholz und Alexander Zanft, alle WTS, stellten vor, wie Prozesse im Bereich Verrechnungspreise und USt digitalisiert werden können.

Internationaler Überblick mit technologischen Implikationen

Den Schlussakkord leitete Dr. Andreas Kowallik, Partner Tax Management Consulting bei Deloitte, mit einem interessanten Überblick über den Wandel der Besteuerungsverfahren insb. im Ausland ein. Er wies u.a. darauf hin, dass schon einige Staaten zu einer transaktionalen Besteuerung mit enger Anbindung des Besteuerungsverfahrens an die Finanzbuchhaltungssysteme der Unternehmen übergegangen seien (z.B. Brasilien, Spanien), und von einer zunehmenden Anzahl auch ein Datenübermittlungsstandard (Standard Audit File for Tax „SAF-T“) eingesetzt werde, der den zwischenstaatlichen Datenaustausch bzw. Datenabgleich verbessere. Zukünftig sei auch in Deutschland mit einem Ausbau des „Profilings“ von Stpfl. aufgrund umfassender Datenauswertung durch die Finanzverwaltung zu rechnen, worauf schon der Vortrag von Patricia Tewald hindeutete.

Anpassung und Management von IT-gestützten Organisationsformen

In seinem Schlussvortrag führte Co-Tagungsleiter Prof. Dr. Walter Brenner den Teilnehmern bildlich vor Augen, welche Transformationsprozesse die Unternehmen in der Vergangenheit insb. bei weniger komplexen Routinefunktionen z.B. durch Robotereinsatz in der Fließbandproduktion vollzogen haben. Das Disruptionspotenzial der technologischen Entwicklungen der Gegenwart und Zukunft sei seiner Ansicht nach aber ungleich höher und bedeutender. Die Transformationswelle werde mit massiver Rechenpower, exponentiell wachsenden Datenmassen und künstlicher Intelligenztechnologie auf sämtliche Wirtschaftsbereiche inklusive der Steuerberatungsdienstleistungen mit großer Wirkung zukommen.

Insgesamt hat die Veranstaltung einen beeindruckenden Blick in die Zukunft  von Tax Technology gegeben. Neuauflagen werden sicherlich folgen.