Summarische Risikoprüfung (SRP), Quantilsschätzung etc. in der Diskussion

Die Diskussion um die moderne (digitale) Prüfungstechnik ist in vollem Gang. „[D]as Stichwort der ‚Summarischen Risikoprüfung‘ [(SRP) ist dabei] zum Synonym für die ‚modernen‘, ‚digitalen‘ Verprobungs- und Schätzungsmethoden der Finanzverwaltung geworden“ [Krumm, „Rechtsfragen der digitalen Betriebsprüfung (Summarische Risikoprüfung)“, DB 20/2017, 1105].

Leider sind die Grundlagen einiger öffentlicher Kritik Fehlannahmen und – scheinbar sogar – Vorurteile. Als ein Beispiel sei an dieser Stelle angeführt, dass die Summarische Risikoprüfung (SRP) immer wieder mit Bareinnahmenprüfung oder gar (Quantils-)Schätzung gleichgesetzt wird. Beide Einordnungen sind nicht zutreffend.

Tatsächlich ist die SRP ein System von mehreren, systematisch verknüpften Visualisierungsmethoden für größere Datenmengen, welches bedienerführend durch Vorlagen unterstützt wird, wobei der Anwender allerdings die Analysekontrolle behält. Sie wird eingesetzt, um sich zu Beginn einer Prüfung zu orientieren, Prüffelder zielgenau und zügig festzustellen sowie komplexe Prüffelder möglichst transparent aufzuarbeiten.

Dabei greift die SRP auf allgemeine Erkenntnisse zur Datenanalyse wie bspw. „Fuzzy Logic“ (Unschärfelogik), „Koinzidenz“ (Zusammentreffen von Faktoren), „Stichprobenqualifizierung“ (Einsatz der Wahrscheinlichkeitstheorie zur Bewertung), „Sensitivitätsmodell nach Vester“ (Musteranalysen zur Lösung komplexer Probleme) etc. zurück. In meinem Beitrag „Zeitgemäße Datenanalyse der Betriebsprüfung – Das Datenprüfungsnetz ‚Summarische Risikoprüfung (SRP)“‘ (DB 45/2016, 2627) habe ich dies ausführlich an einem Beispiel vorgestellt.

Die Arbeitsweise der SRP lehnt sich an die modernen, mehrperspektivisch absichernden Bildgebungsverfahren der medizinischen Diagnostik an, deren Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit als Voraussetzung für die Therapeutik kaum einer ernsthaft bezweifeln wird.

In dem Teilbereich der bareinnahmenintensiven Betriebe soll mit Hilfe der SRP als Prüfungsnetz ein möglichst umfassender Schlüssigkeitseindruck gem. § 158 AO erarbeitet werden.

Dabei sollen die mehrperspektivische Absicherung von Auffälligkeiten, das  interaktive Einpflegen von nachträglichen Erkenntnissen – z.B. auch bei Einlassungen – sowie die Standardisierung in Prüfungsablauf und Dokumentation zu einer sichereren Beanstandung und besseren Nachvollziehbarkeit führen als bei vielen (Makro-)Einzellösungen. Auch in der Bareinnahmenprüfung ist SRP ein Werkzeug neben anderen und natürlich von der Sorgfältigkeit der Einzelanwendung abhängig.

Mit der viel diskutierten Quantilsschätzung bietet die SRP eine zusätzliche Option (kein zwangsläufiger SRP-Abschluss!) an, um die erworbenen Informationen für eine möglichst sachgerechte Schätzung zu nutzen.

Hierfür leitet sie einen betriebsnahen Schätzungsrahmen aus den Monatskennzahlen ab, weil diese in ordnungswidrigen Aufzeichnungen aufgrund ihrer statistischen Robustheit häufig aussagekräftiger sind als Hochrechnungen aus unvollständigen, tlw. falschen Grunddaten. Bei den Instrumenten der Quantilsschätzung „relative Rangkennzahlen“ (Quantile), „Box-Plots“ und „Streuungsrelationen aus der Wahrscheinlichkeitslehre (Stochastik)“ handelt es sich um übliche Werkzeuge in Betriebswirtschaftslehre und Statistik. Der Einsatz dieser Mittel folgt den Notwendigkeiten, um aus einer Zeitreihenanalyse sinnhaft zu einem Schätzungsergebnis zu kommen. Dabei ist die Arbeitsweise mit Standardprogrammen reproduzierbar.

Der Beitrag „Schätzungsmethoden der Betriebsprüfung im Vergleich – Einordnung der wichtigsten Schätzungsverfahren durch Praxis und Wissenschaft“ (BBK 21/2017, 998, zusammen mit Prof. Dr. Giezek) soll den wissenschaftlichen Bezug dieser Teilschritte darlegen.

Parallel dazu beschreibt der Beitrag „Schätzungen mit Hilfe von Zeitreihenanalysen – Schrittweise Beschreibung der Quantilsschätzung“ (StBp 11/2017, 323) die einzelnen Arbeitsschritte der Quantilsschätzung ausführlich und möglichst allgemeinverständlich.

Wichtig für eine zielführende Diskussion über die stark veränderte Prüfungstechnik der Finanzverwaltung im digitalen Zeitalter ist eine Versachlichung.

Immerhin soll eine wirksame Betriebsprüfung wesentlich zur Gleich- und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung beitragen. Kaum jemand bezweifelt noch, dass die Finanzverwaltung dafür – neben den herkömmlichen Prüfungs- und Verprobungsmethoden – neue Ansätze benötigt (s.a. BFH v. 25.03.2015 – X 20/13, BStBl II 2015, 743, Rz. 54). Effektive Prüfungsmethoden gegen rasant zunehmende Datenmengen und softwareunterstützte Manipulationen werden eine gewisse Komplexität aufweisen müssen. Dabei ist die Alternative zu standardisierten, systematischen Prüfungsnetzen wie SRP eine unübersichtliche Anzahl von Einzelmakros und -prüfschritten, die i.d.R. über keine interne Ergebnisabsicherung verfügen und schlechter nachvollziehbar sind.

Deshalb würde ich mir für die Diskussion über neue Prüfungstechnik, Summarische Risikoprüfung (SRP), Quantilsschätzung etc. einen Grundsatz wünschen, den ich als studierter Naturwissenschaftler gelernt habe: Vor jeder öffentlichen Kritik an einem System bzw. einer Methode steht die ausführliche Auseinandersetzung damit bis zum Erfordernis des vollen Verständnisses. Von Seiten der Finanzverwaltung(en) bestand und besteht die Bereitschaft, die modernen Arbeitsweisen vorzustellen und zu erklären.