Solche oder ähnliche Memes liest der interessierte Kryptoenthusiast derzeit auf Social Media-Plattformen und in den Nachrichten. Doch was ist passiert? Der US-Wahlsieg für Donald Trump und sein klares Bekenntnis zu Kryptowährungen und zur Vereinfachung der Besteuerung hierfür führt dazu, dass der Bulle wieder einmal rennt. Er rennt sogar so stark, dass das bisherige Bitcoin-Allzeithoch übertroffen wurde.
Notveräußerung
Während Krypto-Deutschland noch auf das finale BMF-Schreiben zur ertragsteuerlichen Behandlung von Kryptowährungen und sonstiger Token sowie den Aufzeichnungs- und Mitwirkungspflichten wartet (der Blockchain Bundesverband kritisierte den Entwurf stark), werden die altbekannten Zyniker und Populisten wieder laut, die den Staat für seine Bitcoin-Notverkäufe im Sommer 2024 kritisieren. Hat der Staat (Generalstaatsanwaltschaft Dresden) seinerzeit 50.000 Bitcoin im Wert von 2,6 Milliarden Euro verkauft, wären das dieser Tage in etwa 4 Milliarden Euro. In Zeiten, wo dem Staat eh das Geld fehlt, kann der allgemeine Leser nicht verstehen, dass die beschlagnahmten Kryptowährungen so kurzum veräußert und dadurch (neben anderen Einflussfaktoren) erhebliche Kursstürze herbeigeführt wurden und künftige Kursgewinne nicht haben realisieren lassen.
Methoden zur Kursstabilisierung bei Veräußerungen
Um bei derartigen Verkäufen den Kurs stabil zu halten kann man bspw. folgendes Vorgehen wählen:
- Verwendung von Over-the-Counter (OTC) Desks
Große Bitcoin-Mengen werden oft über OTC-Desks gehandelt, die speziell für solche Transaktionen eingerichtet sind. Diese Märkte vermitteln private Deals zwischen Käufern und Verkäufern, ohne dass diese über öffentliche Börsen laufen und den Marktpreis beeinflussen.
- Algorithmischer Handel
Es gibt Trading Algorithmen, die darauf angelegt sind, große Mengen an Bitcoin über einen längeren Zeitraum in kleineren Tranchen zu verkaufen. Dadurch wird die Liquidität besser genutzt und der Marktpreis weniger beeinflusst.
- Dark Pools
Einige Börsen bieten „Dark Pools“ an, in denen große Transaktionen anonym abgewickelt werden, ohne in den öffentlichen Orderbüchern aufzutauchen. So können große Mengen veräußert werden, ohne dass der Markt auf den Verkaufsdruck reagiert.
Laut vorgenannter Pressemitteilung soll der Verkauf kursneutral stattgefunden haben.
§ 111p StPO
Doch was ist eigentlich der Hintergrund für die schnelle Nummer? Die in einem laufenden Strafverfahren beschlagnahmten 50.000 Bitcoin wurden auf der Behördenwallet verwahrt. Da es sich bei den beschlagnahmten Vermögenswerten um „schnellverderbliche Ware“ handelt, sieht § 111p Strafprozessordnung (StOP) vor, dass diese Vermögenswerte veräußert werden können, wenn der Verderb oder ein erheblicher Wertverlust droht oder die Aufbewahrung, Pflege oder Erhaltung mit erheblichen Kosten oder Schwierigkeiten verbunden ist (Notveräußerung). Wobei die Kosten für das Verwahren der Kryptowährungen eher keine große Rolle spielen dürften, stand der drohende Werteverlust im Fokus der Staatsanwaltschaft. Die bekannte Volatilität von Kryptowährungen hätte eben auch dazu führen können, dass der Wert von 2,6 auf 1 Milliarde oder darunter fällt. Ob dies, nur Monate nach dem letzten Bitcoin-Halving, tatsächlich realistisch und auch zu erwarten war, bezweifeln viele Bitcoin-Halter.
Was genau sind die Parameter, die eine Notveräußerung zulassen?
Wertverlust
Nach Gercke/Grözinger (in: Gercke/Temming/Zöller, Strafprozessordnung, 7. Auflage 2023, § 111p StPO) ist eine Veräußerung beschlagnahmter oder gepfändeter Vermögenswerte vor Rechtskraft des Urteils nur zulässig, wenn ihr Verderb oder ein erheblicher Wertverlust droht. Verderb ist eine Veränderung der Substanz, die mit dem Verlust des Sachwertes verbunden ist (M-G/S-Köhler Rn 2). Ein erheblicher Wertverlust soll jedenfalls dann anzunehmen sein, wenn ein Wertverlust von zehn Prozent droht (BT-Drucks. 18/9525, 85; BT-Drucks. 16/700, 19 zu § 111l aF: Aktiendepots; GSa-Knierim Kap 21 Rn 108; vgl. zum Wertverlust von Bitcoins Greier wistra 2016, 249, 257; Goger MMR 2016, 431, 434). Eine frühzeitige Verwertung soll deshalb vor allem bei elektronischen Geräten und Kraftfahrzeugen geboten sein.
Sind Kryptowährungen elektronische Geräte oder Kraftfahrzeuge?
Kryptowährungen als Rechte
Kryptowährungen werden steuerlich grundsätzlich als sonstige Wirtschaftsgüter eingestuft. Sie sind eine digitale Darstellung eines Wertes oder Rechts, der beziehungsweise das unter Verwendung der sogenannten Distributed-Ledger-Technologie (DLT) oder einer ähnlichen Technologie elektronisch übertragen oder gespeichert werden kann.
Nach Johann (in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage 2019, § 111p StPO) sind folgende Gegenstände und Rechte für eine Notveräußerung i.S.d. § 111p StPO geeignet: Umfasst sind damit neben beweglichen auch unbewegliche Sachen, grundstücksgleiche Rechte und Forderungen, Rechte, Schiffe, Schiffsbauwerke und Luftfahrzeuge. Somit liegen veräußerbare Rechte vor.
Eintritt des Verderbens
Unter dem Begriff des Verderbens ist die Veränderung der Sachsubstanz zu verstehen, die mit einer vollständigen Aufhebung ihres Wertes verbunden ist. Der Verderb droht, wenn bei ungehindertem Fortgang mit seinem zeitnahen Eintritt zu rechnen ist. Aus welchen Gründen der Verderb droht, ist unerheblich. Dies kann biologische, technische oder marktwirtschaftliche Gründe haben.
Bei der bekannten Volatilität von Kryptowährungen sollte der vorsichtig handelnde Kaufmann folglich sehr wohl auf die Notveräußerung setzen.
Interessen der Stakeholder
Wobei nach Johann die Notveräußerung nicht nur den Interessen des Staates dient, sondern auch jenen des Betroffenen und der potentiellen Verletzten. Sie ist nach Auffassung des Gesetzgebers „jedenfalls bei einem drohenden Wertverlust von zehn Prozent“ anzunehmen. Das bedeutet im Umkehrschluss zugleich, dass auch ein Wertverlust von nur 5% erheblich sein kann. Starre Grenzen und pauschale Argumente verbieten sich, es kommt vielmehr jeweils auf den konkreten Einzelfall an.
Ermessensausübung
Nur weil ein erheblicher Wertverlust droht, heißt das nicht, dass deshalb auch eine Notveräußerung angeordnet werden muss. Eine Ermessensausübung wird durch das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen nicht entbehrlich, sondern ermöglicht sie überhaupt.
Fazit
Ob nun das Ermessen zur Notveräußerung zutreffend ausgeübt wurde, liegt in der objektiven Betrachtung des Beurteilers.
Aus den vorgenannten Gründen kann zumindest anhand der Strafprozessordnung nachvollzogen werden, warum die Generalstaatsanwaltschaft Dresden seinerzeit schnell gehandelt hat.