Ist Staking gleich Staking? 

von Dirk Schuster & Gustav Liedgens 

Staking wird oft in einem Atemzug zum Liquidity Mining oder Lending genannt. Während Liquidity Mining mit seinen Liquidity Pools die operative und materielle Grundlage für dezentrale Finanzmärkte (DeFi) darstellen, bilden Staking Pools die Grundlage für die technische Absicherung von Proof-of-Stake-basierten Blockchains. Dennoch ist “Staking” nicht gleich “Staking” und bedarf einer Abgrenzung in sich sowie einer Abgrenzung zum Liquidity Mining oder Lending.  

Proof of Stake – Wer das größte Interesse an der korrekten Blockerstellung hat, darf ihn erstellen  

Grundvoraussetzung des Stakings ist das Verständnis zwischen Proof-of-Stake (PoS)- und Proof-of-Work (PoW)-basierten Blockchains (s. Exkurs). Proof-of-Stake basierte Blockchains verwenden einen Algorithmus, bei dem Netzwerkteilnehmer über das Hinterlegen von Krypto-Assets eine Art Pfand dafür hinterlegen, um bei der Blockerstellung teilnehmen zu dürfen. Wer am meisten Pfand hinterlegt, hat am meisten zu verlieren – daher darf diese Person am häufigsten einen Block generieren. Da für das Hinterlegen von Tokens oder Coins (Staking) keine kryptografischen Aufgaben gelöst werden müssen, handelt es sich um einen gegenüber PoW vergleichsweise energieeffizienteren Konsensmechanismus, der immer populärer wird.  

Proof-of-Stake-Konsensmechanismen lassen sich weiter detaillieren und differenzieren. So gibt es bspw. den “Delegated Proof of Stake”. Zwecks Vereinfachung sollen etwaige Differenzierungen im Folgenden außer Acht gelassen werden.  

Exkurs: Proof of Work – Wer zuerst kommt, malt zuerst  

Proof of Work ist ein Algorithmus, bei dem Netzwerkteilnehmer durch das schnellstmögliche Lösen einer kryptografischen Aufgabe (sog. Mining) nachweisen, dass sie das Ergebnis der Aufgabe gefunden haben. Der erste Teilnehmer mit der Antwort erhält anschließend über ein Freigabeprotokoll die Erlaubnis, einen neuen Block auf der Blockchain generieren zu dürfen. PoW findet unter anderem bei BTC, BCH und LTC Anwendung.   

Staking im eigentlichen Sinne (ohne Teilnahme an Blockerstellung)  

Ökonomisch Bedeutung  

Aus ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet ist die Person mit dem größten Interesse an der Richtigkeit der Transaktionen auf der PoS-Blockchain stets die Person mit dem größten Stake resp. Anteil an den insgesamt für die Blockerstellung gestakten Krypto-Assets. Per Designkonvention bestimmt der größte Stake den vertrauenswürdigsten Teilnehmer der Blockchain. Dieser darf daher (meistens) die Blockerstellung vornehmen.   

Staking Pools bündeln Stakes von vielen kleinen Blockchain-Teilnehmern. Das Gesamtwohl besteht dabei üblicherweise in der korrekten Abwicklung von Transaktionen. Durch eine entsprechende Incentivierung werden alle Blockchain-Teilnehmer angeregt, sich am Konsensverfahren zu beteiligen. Diese Incentivierung besteht in der Ausschüttung von Belohnungen, den Staking-Rewards. Der Höhe bewegen diese Rewards sich regelmäßig zwischen 2 und 10 Prozent pro Jahr. Die Ausschüttung erfolgt aus den nicht im Umlauf befindlichen Token. Ihre Rewards erhalten Teilnehmer dort, wo zusätzliche Mechanismen zur Stabilisierung der Menge der in den Staking-Pool eingelegten Tokenanzahl verwendet werden – z.B. feste Sperrzeiten (vgl. Festgeldkonten) oder die Verzögerung der Entnahme von eigenen Tokens aus einem Staking Pool (z.B. 14 Tage nach Anforderung der Entnahme).  

Technischer Ablauf  

Das folgende Diagramm beschreibt den vereinfachten Ablauf beim Staking, bei der Einzahlung (Deposit) beginnend bis zur Auszahlung von Staking Rewards.  

In der obenstehenden Abbildung gibt der Nutzer mithilfe seiner Krypto-Wallet, z.B. Metamask, eine Freigabe (1) für die Einzahlung von zwei Ether in einen Staking Pool  Der Staking Pool Smart Contract kennt den Pool für Ether und zahlt die zwei Coins in den ETH Staking Pool ein (2). Der Staking Pool ist bereits assoziiert mit einem oder mehreren Pool-Betreibern. Sobald einem Pool-Betreiber 32 Ether zugeordnet sind, kann dieser Validator auf Ethereum werden (3). Im PoS-Konsensusverfahren wird nun unser Pool-Betreiber als Validator einer Transaktion gewählt und darf den neuen Block erstellen (4). Dafür erhält er einen Validator Reward (5) in eine mit seiner Ethereum Node assoziierten Wallet. Der Nutzer kann nun jederzeit eine Freigabe zur Auszahlung eines (Teil-)Betrags seiner gestakten Ether – zurück an die Nutzerwallet – erteilen (6). Der Staking Pool Smart Contract löst entsprechend eine Auszahlungsanforderung von Rewards oder eingezahlten Coins aus dem Staking Pool aus (7). Die Coins werden dann aus dem Staking Pool entnommen (8) und an die Nutzerwallet ausgezahlt (9). 

“Staking” auf einer Centralized Exchange (“Plattform-Staking”)  

Nicht selten hört man aus dem Bekanntenkreis, dass Token auf einer zentralisierten Börse “gestakt” werden, um Einkünfte zu generieren. Dies erfolgt mittels der bei zentralisierten Börsen regelmäßig angebotenen Programme wie zB. “BinanceEarn” oder “Supercharger” (crypto.com). Mit der Begründung “Das ist ja viel besser als auf der Bank” lassen sich Rewards generieren, jedenfalls solange die entsprechende Kryptowährung nicht ihren Wert verliert.   

Das heißt vereinfacht: Teilnehmer erhalten für eine Einzahlung ihrer Token eine Vergütung. Hierin liegt aber die Krux. Denn fälschlicherweise wird der Begriff Staking vielerorts auch als Synonym zum Erzielen von Zinseinkünften aus Kryptoassets verstanden und verwendet. Der Unterschied ist jedoch – wie oben aufgezeigt –, dass es hierbei ohne die Einzahlung in einen Staking-Pool gar nicht zum Staking im eigentlichen Sinne kommen kann.  

Eine Allgemeingültigkeit dieser Aussage ist wiederrum nicht zu bejahen. Denn es ist für den Teilnehmer nicht immer eindeutig erkennbar, ob das “Staking” über ein Reward-Programm auf einer zentralisierten Börse tatsächlich mit einer Einzahlung in einen Staking-Pool einhergeht. Diese technische Intransparenz der Kryptobörse ist problematisch. Denn bei Kryptowerten, die auf eine PoW-basierten Blockchain beruht, können die Voraussetzungen des Stakings zur Blockerstellung nicht gegeben sein. Staking im eigentlichen Sinne liegt nicht vor, wenn keine Teilnahme an einem PoS-Konsensmechanismus erfolgt.   

Im Regelfall dürfte das “Staking” auf einer zentralisierten Blockchain kein Staking sein. Im BMF-Schreiben v. 10.5.2022 wird eine dahingehende Bewertung ebenfalls angedeutet. Vielmehr wird insoweit Lending betrieben, welches nichts mit der Blockerstellung zu tun haben dürfte. Hier überwiegt der Gedanke der Gewährung eines Krypto-Darlehens.  

Steuerliche Einordnung echtes Staking vs. Plattform-Lending 

Die Finanzverwaltung teilt in dem BMF-Schreiben v. 10.5.2022 die hier angeführte Version des „echten“ Staking (BMF v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 668, Rn. 13). Da der Tokeninhaber, für den „[…] temporäre[n] Verzicht auf die Nutzung der Einheiten einer virtuellen Währung eine Gegenleistung in Form von zusätzlichen Einheiten einer virtuellen Währung [erhält]“ (BMF v. 10.5.2022, Rn. 48), handelt es sich um Einkünfte aus der Fruchtziehung. Sind die Token dem Privatvermögen zuzuordnen, liegen in dem Fall sonstige Einkünfte iSd. § 22 Nr. 3 EStG vor. Nur wenn Staking mit Token aus einem Betriebsvermögen betrieben wird, können demnach gewerbliche Einkünfte vorliegen. Der Staking-Pool stellt nach Auffassung des BMF regelmäßig keine Mitunternehmerschaft dar (BMF v. 10.5.2022, Rn. 40 letzter Satz).  

Wie dargestellt, dürfte “Staking” auf einer zentralisierten Börse eher dem Verständnis des „Lending“ entsprechen. Unterschiede in der steuerlichen Würdigung ergeben sich – Stand heute – nicht. Lending stellt zwar ein Kryptodarlehen dar. Jedoch führt dies nicht zur Erzielung von Kapitaleinkünften. Es fehlt insoweit an einer Kapitalforderung bzw. einer Kapitalüberlassung auf Zeit sowie an dem konkreten Darlehensnehmer. Bislang hat sich die Gesetzgeber deswegen auch allgemein gegen die Subsumption von Kryptoeinkünften unter § 20 EStG ausgesprochen. Das BMF qualifiziert Lendingeinkünfte ebenfalls als sonstige Einkünfte iSv. § 22 Nr. 3 EStG (BMF v. 10.5.2022, Rn. 65), da es sich um eine Nutzungsüberlassung auf Zeit handelt.  

Fazit  

Ob eine Börse nach der Einzahlung durch einen Nutzer tatsächlich diese Token oder Coins für Staking im eigentliche Sinne einsetzt, ist regelmäßig nicht zu erkennen. Dabei kommt nicht nur der Einsatz der hingegebenen Krypto-Assets iSd. Lendings in Betracht. Vielmehr gibt es auch andere Formen des “Stakings”, bei denen es auch nicht um eine Teilnahme an einem PoS-Konsensmechanismus geht.  

Beispielsweise steht bei einer DAO (Decentralized Autonomous Organization) die Abstimmung über Community-Entscheidungen (zB. die Verwendung der in der Treasury befindlichen Krypto-Assets zu Marketingzwecken) im Vordergrund. Die Teilnahme an einem solchen Entscheidungsverfahren bedingt regelmäßig das Einbringen von bestimmten Krypto-Assets in einen sog. Time-locked-Vault. Das heißt einen zeitbegrenzten “Pool” von Krypto-Assets. Derjenige, mit dem größten Anteil an dem Vault hat dabei die meisten Stimmrechte, nimmt aber nicht an einem PoS-Konsensverfahren teil. Hier fällt durchaus auch der Begriff des Stakings. Weitere Sachverhalte, wie zB. Liquid-Staking und Delegated-Staking, könnten ebenfalls unter die Definition des Stakings iSd. BMF-Schreibens fallen (s. dazu im nächsten Blogbeitrag).   

Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass “Staking” nicht gleich “Staking” ist. Aus diesem Grund ist es empfehlenswert, die technische Umstände der Tokenhingabe sowie die steuerliche Würdigung im Detail zu prüfen.   

Ein Blick über die Grenze

Ein Blick ins Nachbarland Österreich zeigt jedoch, dass die Differenzierung nicht zwingend ist. Mit der Ökosozialen Steuerreform 2022 erhielten Kryptowährungen den Einzug in das österreichische Einkommensteuergesetz. Dort heißt es „Keine laufenden Einkünfte stellen die erworbenen Kryptowährungen dar, wenn „[…] die Leistung zur Transaktionsverarbeitung vorwiegend im Einsatz von vorhandenen Kryptowährungen besteht (Staking) […]“ (§ 27b Abs. 2 Satz 2 Teilstrich 1 öEStG). Im Gegenzug werden Einkünfte aus Lending ebenfalls der Besteuerung als „Entgelte für die Überlassung von Kryptowährungen“ iSd. § 27b Abs. 2 Nr. 1 öEStG unterworfen. Gleichwohl scheint der österreichische Gesetzgeber die hier angestrebten Überlegungen nicht zu teilen. So heißt es in den Erläuterungen der Regierungsvorlage: „[…] Werden Kryptowährungen hingegen entweder direkt durch den Steuerpflichtigen zur Transaktionsverarbeitung eingesetzt (gestaked) oder erfolgt dies durch einen Betreiber von Handelsplattformen im Namen und auf Rechnung des Steuerpflichtigen („Exchange/Plattform-Staking“), sollen die dabei erhaltenen Kryptowährungen unter die Ausnahmebestimmung von Abs. 2 letzter Satz fallen. […]“ (ErlRV 1293 BlgNR XXVII. GP, 11). Auch hier dürfte jedoch ebenfalls ins Gewicht fallen, ob die Börse die Token im Namen und für Rechnung des Steuerpflichtigen tatsächlich in einen Staking-Pool einzahlt.  

Dirk Schuster

Dirk Schuster

Dirk Schuster ist Tax Technology Spezialist und Prokurist bei FGS Digital am Standort Berlin. Über mehr als 10 Jahre bei einer Big4 richtete er seinen Fokus auf die Entwicklung und den Ausbau von neuen Tax Tech Tools für steuerliche Datenanalysen und beriet internationale Mandanten in komplexen, elektronischen Betriebsprüfungen.
Gustav Liedgens

Gustav Liedgens

Gustav Liedgens ist Steuerberater bei Flick Gocke Schaumburg am Standort Bonn und Doktorand am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre und Prüfungswesen an der Universität Hohenheim (Prof. Dr. Kahle).