Die Blockchain-Technologie kann nur im Steuerrecht mit einer geeigneten Infrastruktur sowie einem funktionierenden Ökosystem Einzug halten. Die European Blockchain Service Infrastructure (EBSI) verlässt aktuell die Pilotierungsphase und nimmt mit konkreten e-Government Projekten Fahrt auf. Die Etablierung einer europäischen Blockchain-Infrastruktur ist auf einer Linie mit der Blockchain-Strategie der Bundesregierung. EBSI bietet auch für Blockchain-Anwendungen im Steuerrecht Potenziale.
Hintergründe zu EBSI
EBSI wird seit dem Jahr 2020 entwickelt. Es dient zur Bereitstellung von grenzüberschreitenden Blockchain-Anwendungen. Der Fokus liegt nicht allein auf öffentlichen Dienstleistungen. Zusätzlich sind geschäftliche Aktivitäten von Unternehmen und Bürgern umfasst. Damit wird eine geeignete europäische Infrastruktur für die Verifizierung von Nutzern und Dokumenten geschaffen. In einem ersten Schritt können staatliche Organisationen die verifizierte Überprüfung von Dokumenten und die Identifizierung von Nutzern gewährleisten.
Umgesetzt wurde bereits der Universitätszeugnis Use-Case. Der Use-Case ermöglicht den sicheren verifizierbaren Austausch von Universitätszeugnissen. Technisch umgesetzt wird EBSI durch ein Blockchain-basiertes Self-Sovereign Identity Konzept. EBSI arbeitet DS-GVO und eIDAS konform.
Einsatzmöglichkeiten von EBSI
EBSI stellt eine Infrastruktur mit 25 vollfunktionsfähigen und 11 im Aufbau befindlichen Knoten bereit. Jeder EBSI-Knoten umfasst Kerndienstleistungen, Blockchain-Systeme und eine Infrastruktur.
In EBSI sollen folgende Use-Cases umgesetzt werden:
- Identitäts- und Dokumentenmanagement über dezentrale Identitäten (SSI)
- Verwaltung von Universitäts- und Abschlusszeugnissen
- Verifizierbare Prüfungspfade von Dokumenten und Sicherstellung der Datenintegrität
- Grenzüberschreitende Identifizierung von Nutzern (Trusted Data Sharing)
Eine grenzüberschreitende Identifizierung von Steuerpflichtigen zwischen Finanzverwaltungen im Import One Stop Shop (IOSS) wird im Trusted Data Sharing Use-Case entwickelt. Perspektivisch veröffentlicht die jeweilige nationale Finanzverwaltung die IOSS-ID im Blockchain-Netzwerk. Andere Finanzverwaltungen könnten die IOSS-ID abrufen und deren Aktualität überprüfen. Über diesen spezifisch steuerlichen Use-Case hinaus ergeben sich weitere Potenziale von EBSI im Steuerrecht.
Einsatzmöglichkeiten von EBSI im Steuerrecht
Weitere Einsatzmöglichkeiten ergeben sich durch das zugrundeliegende Blockchain-basierte SSI-Konzept. Perspektivisch umfasst sind alle grenzüberschreitend abgewickelten steuerlichen Prozesse, die ein hohes Bedürfnis nach Datenintegrität haben. Diese Prozesse findet man insbesondere in der Mehrwertsteuer sowie der Quellenbesteuerung.
Über EBSI kann der aktuelle Registrierungsstatus in Echtzeit ermittelt werden. Sind Mehrwertsteueridentitäten vorhanden, ist die Digitalisierung der Mehrwertsteuer in der Form von Token möglich. Die Tokenisierung der Mehrwertsteuer ermöglicht es die Mehrwertsteuerhinterziehung insbesondere in grenzüberschreitenden Fällen effektiv bekämpfen.
Der Austausch von verifizierbaren Dokumenten ist auch in Quellenbesteuerungsverfahren übertragbar. Ausländische Quellensteuern werden von den jeweiligen Instituten (Kreditinstituten) einbehalten. Eine Bestätigung erfolgt durch einen Einbehaltungsnachweis. Die Erstattung/ Verrechnung der gezahlten Quellensteuer lässt sich deutlich effizienter und schneller gestalten. Das Bundeszentralamt für Steuern könnte über EBSI den Nachweis und die Identität des Empfängers sicher verifizieren.
Technologisch sind an EBSI auch andere Technologie-Partner interessiert. Die IOTA Foundation ist unter mehreren Bewerbern ausgewählt geworden mit EBSI grenzüberschreitende Blockchain-Anwendungen in Europa zu entwickeln. IOTA ist ein namhafter Internet-of-Things (IoT) Blockchain-Entwickler. Wodurch ein stärker datengetriebenes Besteuerungsverfahren möglich ist. Beispielsweise lassen sich über IoT-Anwendungen sicher innergemeinschaftliche Warenbewegungen bestimmen und dokumentieren.
Ausblick
Die Blockchain-Technologie gewinnt zunehmend an Fahrt. Sind allgemein Infrastrukturen und Ökosysteme vorhanden, ist die Integration von steuerlichen Anwendungen leicht möglich. Die European Blockchain Service Infrastructure bietet eine europäische Infrastruktur basierend auf europäischen Rechtsnormen und Werten. Grenzüberschreitende Synergien und Anwendungsfälle lassen sich darüber leicht heben. Bei der Entwicklung von steuerlichen Use-Cases muss EBSI eine Berücksichtigung erfahren.
Quellen
- EBSI (europa.eu) (abgerufen am 11.10.2021)
- University pilot proves value of a European Blockchain (europa.eu) (abgerufen am 11.10.2021)
- Müller, Robert (2020): Die Verheißungen der Blockchain-Technologie – Autonome elektronische mehrwertsteuerrechtliche Sachverhaltsbeurteilung am Beispiel von grenzüberschreitenden Reihengeschäften -. In: UR, S. 417.
