Stammdaten als das Salz in der Suppe der Digitalisierung

Stammdatengesteuerte Automatisierung

Stammdaten bezeichnen Daten, die Grundinformationen über betrieblich relevante Objekte enthalten (z.B. Lieferantendaten), die zur laufenden Verarbeitung in Geschäftsprozessen erforderlich sind. Sie haben im Unterschied zu Bewegungsdaten eine längere Gültigkeitsdauer, weshalb sie auch statische Daten oder Grunddaten genannt werden. Stammdaten bieten Potenziale zur Optimierung von Unternehmensprozessen. Mithilfe von Stammdaten lassen sich bspw. elementare Finanzprozesse zur Verarbeitung eines Geschäftsvorfalls automatisieren.

Beispiel: Ein Unternehmen hat eine leistungsfähige Steuerfindungslogik implementiert. Diese Steuerfindungslogik berechnet automatisiert die Umsatzsteuer für Leistungen des Unternehmens an Kunden. Die Erstellung der Rechnung mit entsprechendem Umsatzsteuerausweis erfolgt automatisiert im Fakturasystem. Über eine Schnittstelle erfolgt eine Weitergabe an das Finanzbuchhaltungssystem und dort eine automatisierte Verbuchung.

Das jeweilige Steuerkennzeichen zur umsatzsteuerlichen Klassifizierung eines Ausgangsumsatzes wird im Rahmen der Steuerfindungslogik regelmäßig über die Stammdaten für die fakturierte Leistung bzw. das Produkt (z.B. Leistungs- bzw. Produktstammdaten), für den Leistungsempfänger (z.B. Debitorenstammdaten) und für ggf. zwischengeschaltete Dienstleister (z.B. Kreditorenstammdaten) gefunden (Link).

Automatisierung vs. Tax ComplianceRisiken

Sind die Stammdaten aktuell und konsistent, wird dies zu einem zutreffenden Verarbeitungsergebnis führen und der Fakturierungs- und Buchhaltungsprozess wird optimiert. Sind die Stammdaten nicht vollständig vorhanden, kann die Steuerfindungslösung ggf. nicht vollautomatisiert die Programmierlogik bzw. den „Entscheidungsbaum“ durchlaufen. Sofern die Stammdaten allerdings unzutreffend sind, ist es möglich, dass das System ein falsches Steuerkennzeichen auswählt (bspw. statt zutreffend 19%-Inlandsumsatz, 0%-Auslandsumsatz). In diesem Fall erzeugt das System einen materiell-rechtlichen Fehler, der nachgelagert durch ein Internes Kontrollsystem oder Tax Compliance Management System aufzuspüren ist.

Leider werden Stammdaten teils nur „stiefmütterlich“ behandelt, weshalb eine stammdatengesteuerte Automatisierung keinesfalls unkontrolliert bleiben darf. Fehlerhafte Stammdaten, über die Massen an Bewegungsdaten automatisiert verarbeitet werden, haben eine große Hebelwirkung. Die Stammdaten verhalten sich also ein bisschen wie das Salz in der Suppe, die nur bei richtiger Dosierung der Würze wohl bekommt.

Des Weiteren ist ein formell-rechtliches Problem zu beobachten, wenn keine Historisierung der Veränderungen in den Stammdaten erfolgt, d.h. im Zeitablauf nicht mehr nachvollziehbar ist, zu welchem Zeitpunkt, die Stammdaten gültig waren. In diesem Fall können abgesendete Ausgangsrechnungen Jahre später nicht mehr originalgetreu durch das System „recycled“ werden. Hierin ist ein Verstoß gegen die GoBD bzw. § 146 Abs. 4 AO zu sehen (GoBD, Tz. 76).

Die Komplexität der Stammdatenthematik ist auch deshalb häufig sehr hoch, weil Geschäftsvorfälle (z.B. Wareneinkauf) in zahlreichen Systemen (z.B. Beschaffungs-, Warenwirtschafts-, Controlling-, Finanzbuchhaltungs- und Steuermeldesystem) regelmäßig bei mehr als einer Partei im Betrieb sind. Die Systeme bzw. Applikationen verfügen teilweise über jeweils eigene Stammdatenverwaltungen und daneben bestehen häufig auch noch zentrale Stammdatenverwaltungen. Daher ist die Erzielung von fehlerhaften Verarbeitungsergebnissen bei der stammdatengesteuerten Verarbeitung ein und desselben Geschäftsvorfalls ein signifikantes Risiko. Folglich sind der Revisionsschutz und die Überwachung von Stammdaten zentrale Faktoren aus Sicht von Tax Compliance Management Systemen.

(Stamm-)Datenmanagement als Herzstück einer Data Governance

Die große Bedeutung von Stammdaten haben die allermeisten Unternehmen auch erkannt (Link). Neben der Vereinheitlichung von Systemlandschaften und Prozessen ist das Stammdatenmanagement ein strategischer Eckpfeiler, um Geschäftsprozesse nachhaltig stabil zu steuern und zu automatisieren. Idealerweise wird das Stammdatenmanagement in eine Data Governance eingebettet und im Rahmen einer ganzheitlichen Data Strategy ausgerollt (s. auch Liekenbrock, taxtech.blog, Data-Governance).

Bei dem Aufbau eines Stammdatenmanagements geht es aber nicht nur darum, die Richtigkeit der Stammdaten und den Revisionsschutz zu gewährleisten, sondern auch darum, eine möglichst effiziente Verwaltung der Stammdaten zu erreichen. So sind Regeln für die zentrale Verwaltung zu definieren, damit Mehrfacherfassungen von denselben Stammdaten in unterschiedlichen Systemen vermieden werden. Die Konsolidierung, Validierung und Standardisierung von Stammdaten aus den verschiedenen Systemen sowie die Replizierung der qualitätsgesicherten Stammdaten zurück in die operativen Systeme muss gewährleistet sein. Ferner muss sich die praktische Arbeit mit den zentral verwalteten Stammdaten einfach gestalten. Insbesondere der Zugriff und die anlassbezogene Anpassung von Stammdaten muss unbürokratisch möglich sein. Unflexible zentral vorgegebene Taxonomien für Stammdaten können die Geschäfts- und Verwaltungsprozesse insbesondere im Falle von Systemwechseln und Prozessanpassungen ausbremsen.

Ein isoliertes Projekt zur Implementierung einer Softwarelösung für das Stammdatenmanagement (z.B. Transaktionssystem zur Konsolidierung, Validierung und Standardisierung von Stammdaten für eine ERP-Systemlandschaft) ist häufig nicht nachhaltig wirkungsvoll, wenn es an einer flankierenden Data Governance fehlt. Denn ohne eine entsprechend kapazitativ ausgestattete Aufbau- und Ablauforganisation mit einem verbindlichen Regel- und Kontrollset wird die dauerhafte Qualitätssicherung der Stammdaten und die systemübergreifende Verwendung einheitlicher Stammdaten regelmäßig nicht gelingen.