Transparente Finanzverwaltung – Zur Forderung nach einer mehrwertstiftenden „Rückgabe“ der übermittelten Steuerdaten an die Steuerpflichtigen

Die Daten des Steuerpflichtigen bilden die Grundlage für eine digitale Besteuerung. Es lässt sich beobachten, dass die Menge an Datenlieferungen des Steuerpflichtigen zunehmend ansteigen. Hierzu zählen insbesondere die Elster-Daten bzw. die elektronischen Steuererklärungen und Steueranmeldungen sowie die E-Bilanz- und Lohnsteuerdaten. Ist der Steuerpflichtige grenzüberschreitend tätig und überschreitet er eine gewisse Umsatzschwelle, muss er auch die CbCR-Daten zur Verfügung stellen (§ 138a AO). Verpflichtend ist auch die Meldung grenzüberschreitender Steuergestaltungen (sog. DAC6-Meldungen, §§ 138d ff. AO).

Ferner kann die Finanzverwaltung im Rahmen von Betriebsprüfungen über den Datenzugriff (§ 147 Abs. 6 AO) auf sämtliche für die Besteuerung relevanten Daten zugreifen.

Dies wirft die Frage nach der Wirkungsrichtung der steuerlichen Digitalisierung auf.

Einseitige Datensammlung durch die Finanzverwaltung führt zur Machtagglomeration

Mit Blick auf die vorstehend skizzierten Verpflichtungen erfolgt die mit der Digitalisierung verbundene Datensammlung durch die Finanzverwaltung größtenteils einseitig. Wenn die Daten „clean“ sind, ist davon auszugehen, dass die Steuerveranlagung und Betriebsprüfung aufgrund der umfassenden Datenübermittlung bzw. -überlassung im Regelfall erheblich beschleunigt werden kann. Ein solcher Vorteil wird aber mittels einer „digitalen Entkleidung“ erkauft.

Die ansteigende Masse an steuerrelevanten Daten, welche durch die Steuerpflichtigen übermittelt werden, eröffnet der Finanzverwaltung weitere Wege für deren Nutzung. Steigende Datenbestände schaffen Anreize, diese zu verknüpfen und unter Nutzung von Informationstechnologie zu analysieren. So lassen sich Anomalien und Muster erkennen.

Umgekehrt profitierten die Steuerpflichtigen aber nicht von den Erkenntnissen der Finanzverwaltung aus der Datenauswertung. Die Daten stehen noch nicht einmal in geeigneter Form für die Wissenschaft zur Verfügung. Es ist auch nicht wirklich für die Öffentlichkeit erkennbar, dass zunehmende Meldepflichten (z.B. CbCR oder DAC6) aus volkswirtschaftlicher Sicht einen Nutzen haben können. Eine einseitige Datensammlung führt einerseits zu einer gewissen „Machtagglomeration“ zugunsten des Fiskus und andererseits fördert diese eine zunehmende Skepsis auf Seiten der Steuerpflichtigen. Ferner stellt sich auch die Frage nach notwendigen Grenzen der einseitigen Datensammlung.

Steigerung des Mehrwerts der Datenüberlassung für den Steuerpflichtigen

Denkbar wäre es, der Skepsis mit der Schaffung eines Mehrwertes zu begegnen. Sofern der Steuerpflichtige seinen Pflichten zur Datenüberlassung nachkommt, bedeutet dies einen zusätzlichen Bedarf an personellen und finanziellen Ressourcen. Dies gilt insbesondere für die DAC-6-Meldungen sowie die CbCR-Daten. Darüber hinaus weiß der Steuerpflichtige gar nicht, was die Finanzverwaltung bzw. die Staatengemeinschaft mit den übermittelten Daten anstellt. Insofern wäre es daher denkbar oder wünschenswert, dass die Finanzverwaltung eine gewisse Transparenz zugunsten der Steuerpflichtigen entwickelt. Denn Deutschland ist in Sachen Transparenz der Finanzverwaltung hinterher (vgl. Hey, DStJG 42 (2019), S. 429 (438)). Des Weiteren ist auch die Zurverfügungstellung von steuerlichen Daten für Forschungszwecke ein Möglichkeit, einen gewissen Mehrwert zu schaffen.

Forschungszwecke

Auf unserem taxtech.blog wurde bspw. schon von dem Vorschlag des wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium (BMF) berichtet, ein eigenes Forschungsdatenzentrum für (anonymisierte) steuerliche Einzeldaten zu schaffen (Danielmeyer, Datenevaluation durch den Staat, 15. Februar 2021; Gutachten des wiss. Beirats beim BMF 05/2020, S. 25 f.). Ein solches Forschungsdatenzentrum für Steuern würde für die Steuerrechtswissenschaft sowie für die steuerrechtliche Beratungspraxis einen erheblichen Nutzen entfalten. Denn die wissenschaftliche Analyse steuerlicher Daten könnte ggfs. als Inkubator für weitere mögliche technologische Verbesserung fungieren. So wäre es bspw. denkbar, dass Technologielösungen allein durch einen größeren Bestand an historischen Daten auf effiziente Weise einen Verbesserungsprozess durchleben (z.B. durch Machine Learning).

Transparenz für bestimmte (aggregierte) steuerliche Daten?

Die CbCR-Daten und DAC6-Meldungen stellen insbesondere für „steuerehrliche“ Unternehmen eine schwer zu ertragende Zusatzbelastung durch die Bindung von personellen und finanziellen Ressourcen dar. Primär dienen jedoch diese Datenübermittlungen der Identifizierung von Besteuerungslücken sowie aggressiver Steuerplanung. Wobei zweifelhaft ist, ob über die gegenwärtige Rechts- und Umsetzungslage diese Ziele erreicht werden können.

In einem der letzten Blogbeiträge wurden aktuell politische Bestrebungen diskutiert, die Steuerpflichtigen zur Veröffentlichung ihrer CbCR-Daten zu verpflichten (sog. Public-CbCR). Dieser Gedanke lässt sich gewissermaßen auch umkehren und als Anforderung an die Finanzverwaltung formulieren. Allerdings nicht, wie das Public-CbCR es vorsieht, im Sinne eines „Naming & Shaming“, sondern aggregiert als Branchenkennzahlen. Denkbar wären einzelne Margen, durchschnittliche Bemessungsgrundlagen oder effektive Steuerbelastungen angegeben für unterschiedliche Branchen. Selbstverständlich dürfen diese Statistiken oder Daten nicht den Rückschluss auf einzelne Steuerpflichtige zulassen, was allein schon aufgrund des Steuergeheimnisses sowie aus datenschutzrechtlichen Gründen geboten ist (s. dazu sogleich).

Die Forderung nach Transparenz lässt sich allerdings auch auf die Veröffentlichung der sog. DAC-6-Meldungen ausweiten. Die Finanzverwaltung könnte doch veröffentlichen, welche Schlussfolgerungen sie aus den übermittelten DAC-6-Meldungen gezogen hat. Denkbar wäre dies in Form eines „Transparenzpapiers“ oder als Teil der jährlichen Statistik des BMF. So wäre für den Steuerpflichtigen sichtbar, wie viele grenzüberschreitende Steuergestaltungen gemeldet wurden und welche dieser Meldungen Aufschluss über Regelungslücken oder missbräuchliche Gestaltungen geben.

Grenzen der Transparenz:

Diese Forderung nach Transparenz durch die Finanzverwaltung stößt gleich in mehreren Punkten an Grenzen, sodass die vorstehend andiskutierte Transparenzforderung nicht ohne Gegenargumente debattiert werden kann

Datenschutz

Die Daten genießen ein hohes Schutzbedürfnis, dies zeigen nicht zuletzt die strengen Regeln der DSGVO für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten. Gleichwohl zeigt sich auch, dass der Datenschutz nicht über allem steht. Bspw. bestimmt die EU-Verordnung zur Verarbeitung von nicht-personenbezogenen Daten, dass Beschränkungen der Datenverarbeitung und des Datenverkehrs innerhalb der EU unzulässig sind (s. dazu Blogbeitrag vom 13. Januar 2021). Zudem wird der Datenschutz partiell durch andere Gesetze „overruled“ (z.B. zur Erfüllung steuerlicher Aufbewahrungsfristen).

Für die andiskutierte Transparenzforderungen (einschließlich der Schaffung eines Forschungsdatenzentrums) stellt der Datenschutz ein durchaus lösbares Problem dar. Insbesondere weil technisch auch eine Anonymisierung darstellbar wäre, die ohnehin bereits von Amtswegen zu wahren ist. Zum anderen könnte eine Einwilligung des Steuerpflichtigen in Betracht kommen. Darüber hinaus wäre, zumindest für die Bereitstellung von Daten für Forschungszwecken, eine abgeschirmte IT-Landschaft notwendig (so auch der wissenschaftliche Beirat des BMF, Gutachten 05/2020, S. 26).

Steuergeheimnis

Die Finanzverwaltung kann einer Diskussion um Transparenz schließlich mit dem Steuergeheimnis entgegentreten. Denn seitens der Finanzverwaltung besteht die Pflicht personenbezogene Daten oder geschützte Daten des Betriebes nicht unbefugt zu offenbaren oder verwerten. Das Steuergeheimnis genießt allerdings keinen Verfassungsrang im Sinne eines Grundrechts (s. BVerfG v. 17.7.1984, 2 BvE 11/83, BVerfGE 67, 100). Die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für eine Offenlegung von anonymisierten und aggregierten steuerlichen Daten oder für deren wissenschaftliche Erforschung stellt keinen Verfassungsverstoß dar.

Das Steuergeheimnis und der Datenschutz stellen demnach grundsätzlich keine absoluten Hürden für die Veröffentlichung oder Erforschung von Daten des Steuerpflichtigen. Voraussetzung ist allerdings die Implementierung von gesetzlichen Grundlagen sowie Verfahren der Anonymisierung. Dies zeigt sich auch darin, dass in anderen (demokratischen) Ländern mit Steuergeheimnis und hohen Datenschutzstandards Möglichkeiten existieren, Zugang zu steuerlichen Daten zu erhalten und diese mit anderen Daten zu verknüpfen (s. wissenschaftlicher Beirat des BMF, Gutachten 05/2020, S. ). Eine Verletzung von Steuergeheimnis und Datenschutz muss nicht zwangsweise vorliegen, sofern eine Veröffentlichung aggregierter und anonymisierter Daten erfolgt.

Fiskalinteressen

Neben dem Datenschutz und dem Steuergeheimnis könnten auch (berechtigte) Fiskalinteressen der Schaffung von Transparenz durch die Finanzverwaltung entgegenstehen. Die Fiskalinteressen sind insbesondere dort einschlägig (und auch berechtigt), wo die Finanzverwaltung Daten mittels entsprechender Technologieunterstützung analysiert. Die Transparenzforderung stößt an dieser Stelle auf entsprechende Grenzen. Die Veröffentlichung nach welchen Kriterien das Risikomanagementsystem im Rahmen der Veranlagungen Steuererklärungen zur Einzelfallüberprüfung aussteuert, ist somit aufgrund berechtigter Fiskalinteressen nicht möglich. Gleiches gilt für die Gewichtung der Kennzahlen im Rahmen der Analyse von CbCR-Daten.

Das Fiskalinteresse sollte dann aber keine Grenze darstellen, wenn die Veröffentlichung für die Finanzverwaltung keinen Nachteil bedeutet. Nimmt man bspw. die Forderung nach der Veröffentlichung der Erkenntnisse der Finanzverwaltung aus den DAC6-Meldungen, muss dies die Interessen des Fiskus nicht zwangsläufig tangieren. Bspw. bedeutet die Anzahl der gemeldeten Gestaltungen aufgeschlüsselt je Hallmark nicht zwangsläufig eine öffentliche Darstellung der zugrundeliegenden Gestaltung. Wird zusätzlich noch angegeben, dass bestimmte Gestaltungen Anlass für mögliche Gesetzesinitiativen sind, sagt dies erst einmal noch nichts über die konkreten Regelungen aus, über die im parlamentarischen Verfahren zu beschließen ist.

Festzuhalten bleibt, dass die Veröffentlichung und Aufbereitung von aggregierten Steuerdaten oder deren Zurverfügungstellung für Forschungszwecke in gewissen Grenzen und mit entsprechenden gesetzlichen Grundlagen möglich sind.