Die Win-win-Situation für Unternehmen und Finanzverwaltung – Die zeitnahe Betriebsprüfung

Laut § 2 Abs. 1 Betriebsprüfungsordnung (BpO) ist der Zweck der Außenprüfung steuerlich bedeutsame Sachverhalte zu ermitteln und zu beurteilen, um die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sicherzustellen. Herkömmliche Betriebsprüfungen umfassen häufig weit in der Vergangenheit liegende Zeiträume und beziehen sich zudem auf einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren. Solche Rahmenbedingungen können die Prüfung erschweren und es entstehen meist hohe Risiken für die Unternehmen und potenziell auch für die Finanzverwaltungen. Für Unternehmen besteht Rechts- und Planungsunsicherheit und es kommt beispielsweise zu einem hohen Zinsrisiko. Für die Finanzverwaltungen besteht das Risiko eines Steuerausfalls.

Dem kann mit der zeitnahen Betriebsprüfung entgegengewirkt werden. Bereits seit dem 01.01.2012 ist die zeitnahe Betriebsprüfung bundeseinheitlich in § 4a BpO geregelt. In den Bundesländern wird die zeitnahe Betriebsprüfung mehr oder weniger und auf unterschiedliche Weise umgesetzt. In NRW ist die zeitnahe Betriebsprüfung ein alter Schuh. Hier wird schon seit einigen Jahren die abschlussbegleitende Betriebsprüfung praktiziert. Es wird bereits im laufenden Geschäftsjahr noch während oder direkt nach Fertigstellung der Abschlussarbeiten geprüft. Im Saarland hingegen soll die zeitnahe Betriebsprüfung ab dem kommenden Jahr für Großbetriebe und Konzerne zum ersten Mal ermöglicht werden.

Ziel und Rahmen der zeitnahen Betriebsprüfung

Ziel der zeitnahen Betriebsprüfung ist es, gegenwartsnahe Prüfungszeiträume zu gewährleisten, die Prüfungsdauer zu verkürzen und maximal ein Prüfrhythmus von zwei Jahren nach Abgabe der Steuererklärung zu ermöglichen. In der Praxis findet man bereits häufiger einen jährlichen Prüfrhythmus. Die grundlegende Basis für eine erfolgreiche zeitnahe Betriebsprüfung ist eine verstärkte Kooperation zwischen Unternehmen und Finanzverwaltungen. Dazu gehört beispielsweise auch, dass Unternehmen schon vor Beginn der Prüfung einen digitalen Zugriff auf ihre Daten gewährleisten müssen oder einen entscheidungsbefugten Ansprechpartner zur Verfügung stellen sollten, der eine schnelle Abwicklung der Prüfung fördert. Nach den Vorstellungen der Finanzverwaltung wird in der Praxis die zeitnahe Betriebsprüfung von den Unternehmen initiiert. Der generelle Ablauf unterscheidet sich darüberhinausgehend nicht von der traditionellen Betriebsprüfung.

Was hat die zeitnahe Betriebsprüfung für beteiligte Parteien zu bieten?

Beide Seiten – Unternehmen und Finanzverwaltungen – können von einer zeitnahen Betriebsprüfung profitieren. Für Finanzverwaltungen kann es zu Effizienzsteigerungen kommen. Betriebsprüfer stoßen im Unternehmen auf eine bessere und aktuellere Informationslage und benötigen eine geringere Einarbeitungszeit, da die letzte Prüfung keine fünf Jahre her ist. Außerdem können Sachverhalte leichter vom Steuerpflichtigen erklärt werden, da eine größere Wahrscheinlichkeit besteht, dass noch der gleiche Mitarbeiter auf der betreffenden Position sitzt, der den Sachverhalt ursprünglich beurteilt hat. Darüber hinaus ist es für den Staat von großem Vorteil, Steuerzahlungen zeitnah zu erhalten und strukturelle Fehler bei dem Steuerpflichtigen schnell zu korrigieren, sodass in den Folgeperioden Fehler nicht weiter mitgeschliffen werden.

Für Unternehmen führt eine zeitnahe Korrektur von Fehlern und Beurteilung von Sachverhalten zu mehr Planungs- und Rechtssicherheit (bspw. bei Verrechnungspreisthematiken). Von dieser Sicherheit profitieren gleich mehrere Stakeholder des Unternehmens. Durch eine zeitnahe Feststellung haben Manager bspw. sichere Bonuszahlungen und Gesellschafter sichere Gewinnausschüttungen. Es werden hohe antizyklische Steuernachzahlungen durch zeitnahe Steuerzahlungen vermieden und das Zinsrisiko aufgrund von Nachzahlungszinsen wird minimiert. Zudem könnte es auch zu einem geringeren Verwaltungsaufwand und damit einhergehend auch geringeren Kosten für das Unternehmen kommen, da beispielsweise Dokumente der Buchhaltung nicht über Jahre hinweg in einer Zwischenablage aufbewahrt werden müssen, bevor diese dauerhaft archiviert werden.

Während die zeitnahe Betriebsprüfung zunächst einmal nur vorteilhaft zu sein scheint, könnte die engere Zusammenarbeit mit der Finanzverwaltung, wie zum Beispiel die Gewährung eines uneingeschränkten elektronischen Datenzugriffs, von manch einem Unternehmen als Nachteil verstanden werden. Im heutigen digitalen Zeitalter kann eine solche Haltung allerdings nicht ernsthaft gegen die Potenziale, die die zeitnahe Betriebsprüfung birgt, Bestand haben. Unternehmen müssen darauf vorbereitet sein, dass in Betriebsprüfungen auf kurz oder lang ein immer stärkerer Fokus auf die Daten des Unternehmens gelegt wird und die Finanzverwaltungen schon jetzt einen immer größeren Pool an Unternehmensdaten aufbauen (s. ausführlich Liekenbrock in Ubg 1/2018, S. 43). Beispielsweise hat der Betriebsprüfer durch die E-Bilanz bereits vor der Betriebsprüfung die Möglichkeit, die Unternehmensdaten auf Anomalien zu untersuchen.

Ausblick – Potenziale der zeitnahen Betriebsprüfung

Laut Schmidt könnte die zeitnahe Betriebsprüfung das Risikomanagement der Finanzverwaltungen nachhaltig verändern. Ziel sollte es seiner Meinung nach sein, den Fokus in Betriebsprüfungen mehr auf Bereiche zu legen, in denen in Zukunft Steuerausfälle drohen, anstatt alle Ressourcen auf das Nachholen von vergangenen Steuerausfällen zu konzentrieren (s. ausführlich Rethinking Tax 5/2020, S. 48). Die zeitnahe Betriebsprüfung ermöglicht eine schnelle Aufdeckung von Fehlern und kann somit zukünftige Steuerausfälle minimieren. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass sich Prüfer stärker auf die wesentlich zu prüfenden Sachverhalte konzentrieren können, da sie weniger Einarbeitungszeit etc. benötigen. Mit der zeitnahen Betriebsprüfung können bereits viele Effizienzen gehoben werden, allerdings geht es auch noch einen Schritt weiter. Liekenbrock (a.a.O) beschreibt die Integration der Betriebsprüfung in den Tax Reporting- und Deklarationsprozess als die Kür eines prozessintegrierten Steuerfunktionsinputs und Deklarationsoutputs. Betriebsprüfungsergebnisse könnten automatisiert für die Steuerberechnung im Jahresabschluss und die Steuerdeklaration zur Verfügung stehen. Bis es allerdings soweit kommt sollte zunächst einmal die zeitnahe Betriebsprüfung in allen Bundesländern zu einer Selbstverständlichkeit für die Finanzverwaltungen und besonders auch für die Unternehmen werden.  

 

Links:

Zeitnahe Betriebsprüfung im Saarland (Entwurf Broschüre)

Betriebsprüfungsordnung

Zeitnahe Betriebsprüfung – Haufe

Aspekte der Außenprüfung während der Corona-Pandemie